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Channel: Interreligiöser Rundbrief für Bonn und Umgebung
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Interrel. Rundbrief Nr. 2014-01 - Änderung eines Termins

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06.09.2014

Liebe Leser*innen,

ich habe eine Änderung zum Interreligiösen Rundbrief Nr. 2014-01:

Zu:

I.7) Interreligiöser Gesprächskreis in Bonn am 11.9.2014


RfP Bonn/Köln lädt am 11.9.2014 von 19.30 bis 21.30 Uhr zum Interreligiösen Gesprächskreis ein.
Wir treffen uns wie üblich bei Lioba von Lovenberg, Argelanderstraße 6, 53113 Bonn.

Dieser Gesprächskreis wird VERSCHOBEN auf einen späteren Termin. Diesen werde ich noch bekannt geben.
Das Thema wird jedenfalls sein: Geld.

*

Das hat aber den Vorteil, dass man nun nicht zwischen dem obigen und dem Termin hier wählen muss:

I.8) Philosophie im Pumpwerk am 11.9.2014 in Bonn


Rüdiger Kaun lädt am 11.9.2014 wieder von 19 bis 21 Uhr zur Philosophie im Pumpwerk in der Bonner Straße 65 in Siegburg ein.

Hier ist das Thema: Wille.

*

Und ich hoffe immer noch auf Anmeldungen zur RfP-Bonn/Köln-25-Jahre-Jubiläumsfeier am 13.9.2014.

Herzliche Grüße,
Ihr/Euer Michael A. Schmiedel

Interreligiöser Rundbrief für Bonn und Umgebung:



Interrel. Rundbrief Extra - Aufruf islamischer Gelehrter an den IS

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Liebe Leser*innen des interreligiösen Rundbriefes,

in meinem kleineren Verteiler habe ich neulich einen offenen Brief  islamischer Gelehrter mit 125 Unterchriften aus vielen Ländern an den sog. IS weitergeleitet, den ich auch Ihnen/Euch nicht vorenthalten möchte.


Nehmen Sie sich die Zeit, ihn zu lesen. Sie werden merken, wie schwierig islamische Theologie und Rechtswissenschaft ist, und dass die Art von Exegese, wir die IS-Schergen sie betreiben (und auch andere selbst ernannte Dschihadisten) nicht den Regeln entspricht, wie die Gelehrten sie anwenden.

Ob die Adressaten des Briefes darauf hören, mag bezweifelt werden. Aber Brief ist ein deutliches Zeichen für alle Muslim*innen und Nichtmuslim*innen gleichermaßen, dass der IS und Geistesverwandte, obgleich ihnen nicht ihre muslimische Identität abgesprochen wird, keinesfalls DEN Islam repräsentieren, sondern nach Meinung der Unterzeichner ihm zuwiderhandeln.

Möge dieser Brief eine segensreiche Wirkung haben!
 



Herzliche Grüße,
Ihr/Euer Michael A. Schmiedel

Interreligiöser Rundbrief für Bonn und Umgebung:
http://interreligioeser-rundbrief.blogspot.de/
Religions for Peace Bonn/Köln:
www.religionsforpeace.de
BIM e.V.:
www.bimev.de, www.migrapolis.de

Interreligiöser Rundbrief Nr. 2015-01

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Kim schüttelte traurig den Kopf: „Es tut mir leid, aber in diesem Punkt muss ich Dir widersprechen. Ich kenne die Menschen besser als du. Ein Frieden, der ihnen aufgezwungen wird, hält nicht lange. Du kannst einem Menschen nicht befehlen, seinen Nachbarn zu lieben. Freundschaft bekommt man geschenkt oder gar nicht.“
(Wolfgang und Heike Hohlbein. Märchenmonds Erben. Wien 1998 (Überreuter), S. 369)

Interreligiöser Rundbrief für Bonn und Umgebung 2015-01
(12.01./31.012015)




Liebe Leser*innen des interreligiösen Rundbriefes,

ich wünsche Ihnen und Euch allen ein frohes neues Jahr!
Leider ist es überschattet durch die Attentate in Paris und nach wie vor viele andere große und kleine Katastrophen.

Inhalt



Neulich im Zug:


Neulich im Zug hörte ich ein paar Sitzgruppen weiter zwei Männer sich unterhalten. Der eine zeigte sein Unverständnis über 1,4 Milliarden Menschen, die alle diesem Muhammad anhingen und dass die denn nicht wüssten, dass der ein Mörder und Kinderschänder gewesen sei. Ich schaltete mich ein und fragte: „Aber Sie wissen das alles ganz genau?“ Ja, meinte er, er habe ja den Koran gelesen. Es entspann sich eine Diskussion über Koraninterpretation, Islam im Allgemeinen, Islamismus im Besonderen, über das seiner Meinung nach geschichtlich überholte Alte Testament und das ebenfalls seiner Meinung nach gänzlich friedliche Neue Testament, zu dem er übrigens nur die vier Evangelien, nicht aber zum Beispiel die Briefe des Paulus zählte, desweitere über profillose Parteien und Zeitungen und die PEGIDA als Bewegung gegen die Bevormundung durch die Politiker, der es nur nebenbei um den Islamismus gehe. Der zweite Mann war um einiges differenzierter und gemäßigter als der erste, aber auch jener nahm meine Argumente auf und bedankte sich, als sie in Leutesdorf ausstiegen, für das aufschlussreiche Gespräch.

Natürlich sind wir alle erschrocken über das Attentat  beziehungsweise die Attentate in Paris, auf die Redaktion des Charly Hebdo und auf den jüdischen Supermarkt. Selbstverständlich solidarisieren wir friedliebenden und demokratischen Menschen und mit den Opfern und bekennen: „Je suis Charly!“, „Je suis Ahmed!“ (einer der beiden ermordeten Polizisten), „Je suis Yohan!“ (einer der vier ermordeten Kunden es jüdischen Supermarkts).

12 ermordete Menschen, eine symbolische Zahl? Man könnte sagen, die 12 sei vollständig und genug. Jetzt reicht es! Nein, es ist eine zufällige Zahl und es ist ja auch nur eine ganz kleine Zahl verglichen mit denen, die in den letzten Monaten in Nigeria, in Syrien, im Irak und anderswo von Menschen, die sich selbst als Muslime bezeichnen, ermordet wurden. Dass man für diese 12 so große Trauer- und Solidaritätskundgebungen veranstaltet liegt sicher an der Nähe, geographisch wie kulturell, so dass ich schon geneigt bin, hier eine eurozentrische Solidarität wahrzunehmen. Auf der anderen Seite ist es aber auch dadurch zu erklären, dass eine Redaktion eines Satiremagazins Ziel des Anschlags war, und damit die Rede-, Meinungs- und Pressefreiheit, ein Grundpfeiler unserer demokratischen Gesellschaft. Ein anderer Grund für die Solidarität ist sicher Angst, selber das nächste Opfer sein zu können. Letzte Woche noch im Kölner Hauptbahnhof hörte ich die Durchsage: „Der Eigentümer der schwarzen Aktentasche in der B-Passage zwischen den Gleisen 3 und 4 möge bitte sofort zu seinem Gepäckstück kommen!“
 
Und es kommt, was kommen muss: Muslime generell werden, wie von meinem Gesprächspartner im Zug, unter Verdacht gestellt, einer Ideologie anzuhängen, die derartige Attentate hervorbringt. Die Front Nationale in Frankreich, PEGIDA und ihre Ableger in Deutschland und andere Parteien und Bewegungen in Europa meinen den Alleinverantwortlichen und damit Feind ausgemacht zu haben. Umgekehrt formieren sich Gegendemonstrationen, die alle so aufgebracht den Islam beschuldigenden Wutbürger als Nazis und Faschisten bezeichnen. Und wer freut sich am meisten darüber? Die Islamisten, die wohl genau das bezwecken: Antimuslimische Heimatverteidiger beschimpfen Muslime, die mit dem Terrorismus so wenig zu tun haben wie der Durchschnittssdeutsche mir den NSU-Morden. Nach Orientierung suchende jugendliche Muslime fühlen sich von den Nichtmuslimen angefeindet und ausgegrenzt und fallen auf die Werbungen der Salafisten und anderer islamistischer Gruppen herein, bei ihnen gehe es ihnen besser, sie würden Freundschaft und Ehre bekommen und als letzte Belohnung das Paradies.  Europäischer Patriotismus, wie seine Anhänger es nennen, spielt somit den Islamisten in die Hände. Das was sie abwehren wollen, machen sie nur stark. Und umgekehrt genauso: Die Islamisten stärken die Europäische Rechte. Und was bleibt auf der Strecke: Die Religion als Orientierungs- und Sinnstiftungshilfe für friedliche Menschen und die Demokratie gleichermaßen.

Frieden ist eine ganz zarte Pflanze, die sehr anfällig. Wichtig ist es, auf die Sprache zu achten, die man verwendet, beim Dialog und auch bei der Kritik. Bei jedem uneingeschränkten Ja zur Rede-, Meinungs- und Pressefreiheit und ohne die Attentate in irgendeiner Form rechtfertigen zu wollen, bin ich doch auch der Meinung, dass auch Satiriker nicht das beleidigen sollten, was anderen Menschen heilig ist. Es gibt viele Wege, die Obrigkeit, die Instrumentalisierung von Religion und den Fanatismus auf die Schippe zu nehmen. Die Linie zwischen dem, was man Menschen zumuten darf und was nicht, ist nicht klar erkennbar, sondern einzelfallabhängig. Dass es aber für religiöse Menschen sehr schmerzlich ist, den Gründer der eigenen Religion so abgebildet zu sehen, wie das bei einigen Zeichnungen vom Charly Hebdo der Fall ist, liegt auf der Hand. Ich nehme an, dass die einfachen Gläubigen nicht zur Zielgruppe der Häme gehören, sondern die Islamisten. Die könnte man aber sicher auch anders treffen, ohne solche emotionalen Kollateralschäden. Die Attentate aber verübten nicht die normalen Gläubigen, sondern aus welchen Gründen auch immer irregeleitere Terroristen, wobei diese Gründe aufzuklären auch sinnvoll wäre. Ich plädiere hier nicht für Selbstzensur aus Angst vor Terror, sondern für Rücksicht auf die oder Respekt vor den Gefühlen normaler Menschen.

Von Gefühlen geleitet sind auch die Menschen, die sich den so genannten Spaziergängen der PEGIDA und ihrer Tochterbewegungen anschließen, von Gefühlen der Überfremdung, der Bevormundung, des Nicht-ernst-genommen-werdens und so weiter. Sicher meinen einige auch zu wissen, wer denn schuld ist an ihrer Unzufriedenheit, die Muslime, die Asylanten, die Rumänen und Bulgaren, die Journalisten, die Politiker, eben alle die, die ihnen ein Gefühl der Unsicherheit und Gefahr vermitteln, der Gefahr für ihr Heimatgefühl, für ihre gewohnte Lebensweise, für die Sicherheit ihrer Häuser, für ihre Arbeitsplätze, für ihre  Geld und so weiter. Diese Gemengelage nutzen, so schätze ich das ein, schlaue Agitatoren und Organisatoren aus, die Menschen auf die Straße zu rufen. Sie formulieren auch Programmpunkte, die sich zum Teil auch für mich ganz gut lesen, wie zum Beispiel: „3. PEGIDA ist FÜR dezentrale Unterbringung der Kriegsflüchtlinge und Verfolgten, anstatt in teilweise menschenunwürdigen Heimen!“ Leider widerspricht Punkt 11 diesem Punkt 3: „11. PEGIDA ist FÜR eine Zuwanderung nach dem Vorbild der Schweiz, Australiens, Kanadas oder Südafrikas!“ Oder sind da Spitzfindigkeiten versteckt, wie eine Unterscheidung des Umgangs mit Asylbewerbern und mit Einwanderern? So wie meiner Kenntnis nach Australien mit Asylbewerbern umgeht, das kann man nicht als „menschenwürdig“ bezeichnen. Aber wie auch immer, so argumentieren PEGIDA-Befürworter mit diesen Programmpunkten und da ist es auch angemessen, darüber zu diskutieren, statt sie einfach nur nieder zu pfeifen und pauschal als „Nazis“ zu beschimpfen. Es sind sicher auch Nazis darunter, so wie unter den Muslimen auch Islamisten sind, aber wir wollen doch keine Verallgemeinerung und keinen Generalverdacht. Ich werde indes auch das Gefühl nicht los, dass die Organisatoren von PEGIDA ihr Fußvolk an der Nase herumführt, so wie die Islamisten die Muslime.

Ich plädiere also dafür, miteinander zu reden, statt einander auszupfeifen. Mein Gespräch im Zug zeigt doch, dass das geht. Und ich plädiere dafür, keine Feindbilder zu hegen. Die gehen letztlich nach hinten los. Man kann hart diskutieren, sollte dabei aber immer eine gemeinsame Lösung im Auge behalten und den Diskussionsgegner nicht beleidigen und erniedrigen.

Für eine echte gemeinsame Lösung muss auf diesem Planeten aber noch vieles geschehen: eine gerechte Wirtschaftsordnung, gemeinsame Verantwortung für die Biosphäre, also auch das Klima, Solidarität auch mit Menschen, die vor Armut und Folgen des Klimawandels fliehen. Die Heimat, die wir alle gemeinsam verteidigen müssen, ist ein kleiner blauer Punkt in einem riesigen schwarzen Raum und heißt Erde.
**

Ein paar Gedanken zum interreligiösen Rundbrief:


Diesen Text habe ich am 12. Januar geschrieben, als ich gerade ein halbes Jahrhundert Erdenleben hinter mit hatte. Ich hatte ihn in drei Verteilern schon rundgeschickt und zur Diskussion gestellt. Vielen gefiel er sehr gut, einigen zeigte er zu viel Verständnis für die PEGIDA, anderen für die Muslime oder gar Islamisten.  Ja, der mittlere Weg ist nicht einfach zu gehen!

Weiter unten finden Sie einige Links zu Zeitungsartikeln, Videos und Liedern, die mir im Zuge der Diskussionen zugeschickt wurden. Da können Sie drin stöbern, lesen, gucken, hören.
Ich möchte aber nun noch ein paar Worte über den Interreligiösen Rundbrief und seine Rolle im interreligiösen Leben unserer Region rund um Bonn verlieren: Ich komme immer seltener dazu, ihn zu verfassen. Auch zu MIGRApolis komme ich zur Zeit sehr selten. Mein Arbeitsschwerpunkt liegt momentan an der Uni Bielefeld, wo ich vor allem künftigen evangelischen Religionslehrer*innen religionswissenschaftliches Wissen vermittele und ihren Perspektivenhorizont zu erweitern trachte. Das macht mir Freude und erfüllt mich sehr. Dann gibt es hier und da andere Arbeiten, so dass einfach die Schwerpunkte anders liegen als noch vor wenigen Jahren.

So verschicke ich interreligiöse Termine auch lieber kurzfristig, wie sie rein kommen, in einem kleineren Verteiler einfach als Weiterleitung der E-Mails. Termine sind somit kein Schwerpunkt mehr des interrel. Rundbriefes. Wer von anstehenden Veranstaltungen erfahren will, lasse sich in den anderen Verteiler eintragen.

Interreligiöse Veranstaltungen gibt es nach wie vor viele, wenn nicht sogar in steigender Anzahl. 2014 wurde eine neue interreligiöse Gruppe gegründet, und zwar die Bonner Ortsgruppe bzw. der Cooperation Circle der United Religions Initiative (vgl. http://www.uri-deutschland.de/). Ich hatte beim Gründungsfest im Dezember einen Vortrag über „Winterzeit, Weihnachtszeit, Wendezeit“ gehalten. Interreligiöse Gruppen kann es nicht zu viele geben. Jede spricht eine etwas andere Zielgruppe an, so mancher ist aber auch in mehreren Gruppen aktiv. Mit schwebt ja immer noch eine intensivere Vernetzung der interreligiösen Organisationen in Bonn und Umgebung in all ihrer Verschiedenheit und Eigenständigkeit vor. Der Arbeitskreis Muslime und Christen im Bonner Norden und der Interreligiöse Dialogkreis Bad Godesberg sind nach wie vor hauptsächlich christlich-islamisch orientiert und laden immer wieder zu Veranstaltungen ein. Die Bahá’í-Gemeinde Bonn und die Deutsche Muslim Liga Bonn pflegen einen vorbildlichen bilateralen bahá’í-islamischen Dialog. Im vom Bonner Institut für Migrationsforschung und Interkulturelles Lernen (BIM; das 2015 sein 20-jähriges Bestehen feiert) und der Evangelischen Migrations- und Flüchtlingsarbeit (EMFA) betriebenen MIGRApolis-Haus der Vielfalt finden jede Menge interreligiöser und interkultureller Veranstaltungen statt. Die Integrationsstabsstelle Bonn und der Rat der Religionen in Bonn arbeiten an einem Faltblatt über die Religionen in Bonn, bei dem ich ein wenig mithelfe. Die Interreligiöse Initiative Schweigen für Frieden und Gerechtigkeit trifft sich nach wie vor monatlich zum Schweigen auf dem Münsterplatz. Und die Religions for Peace-Gruppe Bonn/Köln, die 2014 ihrer 25-jähriges Jubiläum mit einer Festveranstaltung feierte, und der ich vorstehe, lädt etwa jeden zweiten Monat zum interreligiösen Gesprächskreis ein. Einige der genannten Gruppen organisierten auch in der diesjährigen ersten Februarwoche Veranstaltungen im Rahmen der von den UN ausgerufenen Woche der interreligiösen Harmonie. Außerdem gibt es in Bonn noch das Philosophisch-psychologische Kaffeehausgespräch und  in Siegburg die Philosophie im Pumpwerk, wo immer wieder wichtige Themen des Menschseins besprochen und diskutiert werden, nicht interreligiös im engeren Sinne, im Weiteren aber sehr wohl. Und das war noch längst nicht alles, aber alles habe ich auch nicht im Blick.

Also nochmal: Möchten Sie über anstehende Veranstaltungen, die mir für den interrel. Rundbrief oft viel zu kurzfristig zugeschickt werden, informiert werden, lassen Sie sich in meinen anderen, kleineren Verteiler, eintragen. Der interrel. Rundbrief soll in unregelmäßigen Abständen zu grundsätzlicheren Themen Stellung beziehen.

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Linksammlung:


Hier nun ein paar Links zu Terrorismus, Satire, PEGIDA, Islamismus usw. die mir zugeschickt wurden. Ich habe sie nur grob nach den Personen sortiert, von denen ich sie habe, ansonsten nicht mir Erklärungen und Kommentaren versehen:
Zugeschickt von David Clement, Jugendamt der Stadt Bonn:


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Zugeschickt von Gerd Schinkel, Journalist und Musiker in Köln:
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Zugeschickt von Martin Sagel, Autor des Buches „Alles Eins“ in Kerpen:

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Zugeschickt von Ahmad Mansour, Psychologe und Autor in Berlin:

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Zugeschickt von Christoph Wagenseil, Religionswissenschaftler in Marburg bei REMID:

Leseempfehlungen zu den Anschlägen in Paris

Hintergründe:
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Zugeschickt von Benedikt Erb, Religionswissenschaftler in Leipzig:
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Zugeschickt von Christoph Kleine, Prof. für Religionswissenschaft in Leipzig
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Zugeschickt von Jochen Ring, Lehrer in Linz:
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Zugeschickt von Manfred Pohlmann, Musiker in Neuwied:
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Ausklang:


Das Zitat oben über den Rundbrief stammt aus einem Fantasyroman, aus der Märchenmond-Reihe der Autorenpaares Wolfang und Heike Hohlbein, die ich sehr gerne als Lektüre empfehle;
http://www.hohlbein.net

Auf eine kommende Sache möchte ich doch noch hinweisen, die Marianne Horling, Leiterin des URI CC Bonn, mir zuschickte. Sie schreibt:

„Unser URI CC in Österreich hat eine sehr schöne Idee zur World Interfaith Harmony Week: Das Aufstellen eines Lichtes am Fenster am 7. Februar, um die Verbundenheit der Menschen zu zeigen, welchem Glauben sie auch angehören. Das könnte eine kleine Geste mit großer Wirkung werden. Ja - wir sollten dies evtl. zur Tradition werden lassen und in jedem Jahr dieses Zeichen setzen.
Ich würde mich sehr freuen, wenn Du diese Mail über Deinen großen Verteiler weitergeben könntest.“

Das habe ich hiermit getan und lade ein, es so zu tun.

Ich wünsche Ihnen und Euch allen nicht nur eine Woche, sondern ein Leben der interreligiösen Harmonie!

Herzliche Grüße,
Ihr/Euer Dr. Michael A. Schmiedel

Interreligiöser Rundbrief für Bonn und Umgebung
http://interreligioeser-rundbrief.blogspot.de/
Religions für Peace Bonn/Köln
www.religionsforpeace.de
  







Interreligiöser Rundbrief Nr. 2015-02

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„Die heutigen Kulturen entsprechen nicht mehr den alten Vorstellungen geschlossener und einheitlicher Nationalkulturen. Sie sind durch eine Vielfalt möglicher Identitäten gekennzeichnet und haben grenzüberschreitende Konturen. Das Konzept der Transkulturalität beschreibt diese Veränderung. Es hebt sich ebenso vom klassischen Konzept der Einzelkulturen wie von den neueren Konzepten der Interkulturalität und Multikulturalität ab.“
                                                                                                            Wolfgang Welsch


„Transreligiös sind […] alle Prozesse der Selbstüberschreitung einer religiösen Tradition, sei es durch interne Auseinandersetzungen oder durch Begegnung mit anderen Traditionen.“
                                                                                                                             Karl Baier




Interreligiöser Rundbrief für Bonn und Umgebung 2015-02
(23.03.2015)

Liebe Leser*innen des interreligiösen Rundbriefes,
ich wünsche Ihnen und Euch allen ein frohen Frühlingsanfang oder gleich nochmal ein frohes neues Jahr, so Sie Norouz, Nowruz, Newroz, Nevruz oder wie auch immer Sie es schreiben gefeiert haben!

Wie schon im Januar mitgeteilt, erhalten Sie interreligiöse Termine nun über kurzfristige Weiterleitungen, während der Interreligiöse Rundbrief „nur“ allgemeine Informationen und/oder Reflexionen enthält.

Diesmal möchte ich gerne ein paar Gedanken mit Ihnen teilen, die sich um einen Begriff ranken oder viel mehr um ein Präfix, nämlich „trans“.

Woran denken Sie bei „trans“? An den Trans-Europa-Express, die Transsibirische Eisenbahn oder den Trans Canada Highway? An Transzendez, Transzendentale Meditation oder die Transsubstation von Wein und Brot in Blut und Leib Christi? An das römische Gallia Transalpina, an Transitreisen oder an Transgender? Es hat jedenfalls immer damit zu tun, entweder zwei Enden eines Ganzen miteinander zu verbinden, so wie der Trans Canada Highway die Ostküste Kanadas mit der Westküste verbindet, oder damit, eine Grenze zu überschreiten, so wie Transgender eine Grenze geschlechtlicher Identität überschreiten.    

In Bonn wurde neulich ein neuer Verein gegründet, der den Namen "ANQA - Verein für transkulturelle Bildung" trägt. Was „ANQA“ bedeutet, muss ich nochmal nachfragen. Die Bedeutung des Wortes „transkulturell“ erklärte mir Vereinsmitgründer David Clement folgendermaßen: Das geläufige Wort „interkulturell“, also „zwischenkulturell“, gehe davon aus, dass sich zwei oder mehr voneinander klar unterschiedene und im jeweiligen Inneren einheitliche Kulturen oder eben deren Vertreter  zu Gesprächen oder gemeinsamen Aktionen träfen. Nicht berücksichtigt würde bei dem Begriff „interkulturell“, dass sie Grenzen zwischen den Kulturen durchlässig seien und dass die Kulturen selber in ihrem Inneren vielfältiger und von anderen Kulturen beeinflusst und durchdrungen seien. Die einzelnen Menschen seien eben nicht Vertreter dermaßen abgrenzbarer und einheitlicher Kulturen sondern Individuen mit vielen kulturellen Facetten. Diese Wirklichkeit lasse sich mir „transkulturell“ besser ausdrücken als mit „interkulturell“.

Ich fand dann heraus, dass der Philosoph Norbert Welsch den Begriff „transkulturell“ erfunden und in Umlauf gebracht hat. Ja, warum nicht mit der Sprache spielen und experimentieren, wenn man das, was man ausdrücken will, mit dem gewohnten Vokabular nicht angemessen ausdrücken zu können meint?
Nun kommt mir der Gedanke, ob man das „trans“ nicht auch in den interreligiösen Dialog einbringen könnte, so dass aus dem inter- ein transreligiöser Dialog würde. Neulich auf der 4. Integrationskonferenz der Bundesstadt Bonn kam die dazu passende Diskussion im Workshop zum interreligiösen Dialog auf, nämlich anhand der Frage, wer denn nun eigentlich die Adressaten und Akteure des interreligiösen Dialogs seien. Sind es die Vertreter*innen der Religionsgemeinschaften, die Amtsträger*innen der religiösen Institutionen? Sind es die Menschen, die sich voll und ganz mit einer Religionsgemeinschaft oder religiösen Institution identifizieren und in ihrer Gemeinde ihre Heimat finden? Oder sind auch die Menschen gemeint, die nicht Mitglieder einer Religionsgemeinschaft sind oder zwar Mitglieder sind, aber so genannte „Kirchenferne“, die also in einer gewissen Distanz zur offiziellen Theologie oder Institution ihrer Gemeinschaft stehen und sich stattdessen ihre eigenen Glaubensansichten formulieren?

Ist der interreligiöse Dialog ein Dialog zwischen Religionen oder zwischen Menschen, die zu diesen Religionen in einem wie auch immer gestalteten Verhältnis stehen: sich mit ihnen mehr oder weniger oder gar nicht identifizierend, ihre Lehren bejahend, überdenkend, kritisierend oder ablehnend, konventionell oder unkonventionell religiös oder spirituell oder doch eher säkular?

Könnte da der Begriff „transreligiös“ nicht aushelfen, um niemanden auszuladen aus dem Dialog, weder die Konservativen, noch die Liberalen, weder die Orthodoxen, noch die Heterodoxen, weder die Fundamentalisten, noch die Freidenker, weder die Frommen, noch die Weltlichen, nicht die, die treu zu einer fest umrissenen Lehre und Gemeinschaft stehen, nicht die, die zwischen den Lehren und Gemeinschaften wandern oder gar gleichzeitig mehreren angehören, nicht die, die keiner Lehre oder Gemeinschaft sich zugehörig fühlen?

Sicher: Wichtiger als die Wörter, die wir verwenden, sind die Inhalte, die wir meinen. Wichtiger ist die Absicht, den Dialog, nennen wir ihn "inter-" oder "transreligiös" oder sonst wie, wirklich integrativ und inklusiv zu gestalten, nicht exklusiv. Jede*r soll eingeladen sein, sich einzubringen und teilzuhaben. Wenn diese Absicht fehlt, bringen noch so schöne Worte und Wörter und noch so trennscharfe Begriffe nichts. Lasst/Lassen Sie uns darüber nachdenken und uns austauschen.

Herzliche Grüße,

Ihr/Euer Michael A. Schmiedel


PS: Das erste Zitat oben stammt aus Wolfgang Welschs Aufsatz „Transkulturalität“, online: http://www.forum-interkultur.net/uploads/tx_textdb/28.pdf(aufgerufen am 23.3.2015)
Das zweite Zitat fand ich erst nach dem Schreiben meiner Gedanken, als ich erstmals nach dem Begriff „transreligiös“ suchte. Dass ich dann gleich auf den von mir verehrten Karl Baier stieß, freut mich sehr! Quelle: Karl Baier. Transreligiöse Theorie und existentiale Interpretation. Online: http://homepage.univie.ac.at/karl.baier/texte/pdf/TransreligioeseTheorie.pdf(aufgerufen am 23.3.2015)

Interreligiöser Rundbrief Nr. 2015-03

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"Hören Sie, mein Freund, ich fühle mich nicht alt, weil ich so viele Jahre hinter mir habe, sondern weil nur noch so wenige Jahre vor mir liegen.“
Ephraim Kishon


Interreligiöser Rundbrief für Bonn und Umgebung 2015-03
(04./08.09.2015)

Liebe Leser*innen des interreligiösen Rundbriefes,
es ist wohl auch ein Zeichen der fortschreitenden Lebensjahre, dass einem die Zeit so viel schneller vergeht als wenn man jung ist.
Sollten Sie Interesse haben, ihre Zeit sinnvoll zu verbringen, wäre eine Möglichkeit, das zu tun, eine oder alle der Veranstaltungen zu besuchen, die ich hier in eigener Sache anpreise:
1.)    Interreligiöser Gesprächskreis Bonn
Montag, 7. September 2015, 19.03-21.30
bei Lioba von Lovenberg, Argelanderstraße 6, 53115 Bonn
Thema: Zu Gast ist eine griechisch-orthodoxe Nonne aus Norwegen.
Veranstalter: Religions for Peace Bonn/Köln

2.)    Islam – Ein heißes Thema?
Mittwoch, 9. September 2015, 19.30
Ev. Gemeindezentrum Melsbach, Altwiederstr. 15, 56566 Neuwied-Oberbiber
Ein Gesprächsabend mit dem Religionswissenschaftler Dr. Michael A. Schmiedel, Siegburg
Moderation: M. Palberg, M. Moritz, G. Schwikart

3.)    'Alteingesessene und Imis' Von Gegen-, Neben- und Miteinander und den Konzepten der Assimilation, der Integration und der Inklusion
Montag, 14.09.2015, 18:30 bis 20:00 Uhr
VHS Bornheim-Alfter, Alter Weiher 2, 53332 Bornheim
mit Dr. Michael A. Schmiedel und Bartosz Bzowski, M.A.

Deutschland ist seit 2005 offiziell ein Einwanderungsland. Inoffiziell ist es das schon lange, zumindest seit in den 1950ern die ersten Gastarbeiter kamen - und blieben. Und doch tun sich viele Deutsche schwer damit, ihre neuen Mitbürger/innen als in Deutschland ebenso zu Hause wie sie selbst zu akzeptieren. Auch die Eingewanderten haben es nicht leicht, sich in Deutschland richtig zu Hause zu fühlen, da sie zwischen ihrer Herkunfts- und einer neuen Identität hin und her gerissen sind. Wir alle, Ureinwohner und Einwanderer kommen an die Grenzen überkommender Identitätsvorstellungen. Unsere Kreativität ist gefragt, Identität zu konstruieren und neue Brücken zwischen Zeiten und Orten zu spannen.
Die beiden Dozenten geben zum einen einen Überblick über die Einwanderungsgeschichte Deutschlands und ihre wirtschaftlichen und politischen Implikationen und versuchen zum anderen, im Diskurs um die Einwanderung verwendete Begriffe wie 'Assimilation', 'Integration' und 'Inklusion' zueinander in Beziehung zu setzen und zu brauchbaren Werkzeugen für den Bau der oben genannten Brücken zu schmieden.
Bartosz Bzowski, M.A., ist ein 'Imi' mit polnischen Wurzeln, Politikwissenschaftler und arbeitet im Bonner Institut für Migrationsforschung und interkulturelles Lernen.
Dr. Michael A. Schmiedel ist eingeborener Rheinländer, Pendler nach Ostwestfalen und Religionswissenschaftler an der Universität Bielefeld.

4.)    GEBETe der Religionen
Dienstag, 29. September 2015, 18.30 Uhr
MIGRApolis-Haus der Vielfalt – Brüdergasse 16-18, Café im Erdgeschoss
Veranstalter: Religionsgemeinschaften in Bonn
mit Unterstützung der Stabsstelle Integration der Bundesstadt Bonn
im Rahmen der Interkulturellen Woche  2015
Die GEBETe der Religionen werden vorbereitet von Mitgliedern verschiedener Religionsgemeinschaften in Bonn und unterstützt von der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Bonn (ACK), Religions for Peace Bonn/Köln und Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde Bonn, der Baha’i Gemeinde Bonn, der Deutschen Buddhistischen Union, des Rates der Muslime in Bonn und der Religiösen Gesellschaft der Freunde (Quäker) – Leitung: Dr. Michael A. Schmiedel und Pfarrer Wolfgang Wallrich
Vgl. auch Plakat im Anhang.

5.)    Interreligiöses Friedensnetzwerk - Vorstellung einer Internetplattform
Freitag, 2.Oktober 2015, 18 Uhr, (also nicht wie in den IKW-Programmen angekündigt am 1.10.)
MIGRApolis-Haus der Gesellschaft, Seminarraum im 2. Stock

mit David Clement, M.A. und Dr. Michael A. Schmiedel
im Rahmen der Interkultuellen Woche 2015
Zielgruppe: Interreligiöse Akteure und Interessierte.

Das Interreligiöse Friedensnetzwerk (IFN) Bonn und Umgebung ist eine Vernetzung von interreligiösen Akteuren in Bonn und Umgebung zwecks Veröffentlichung der Veranstaltungshinweise auf einer gemeinsamen Internetplattform für  Veranstaltungshinweise. Die Seite steht allen interreligiösen Akteuren der Region zur Verfügung. Bisher veröffentlichen die interreligiösen Organisationen ihre Termine nur auf eigenen Homepages, in E-Mail-Verteilern und in der Presse. Die gemeinsame Plattform soll allen Beteiligten die Vielfalt der Veranstaltungen bewusst machen und dazu helfen, Terminüberschneidungen zu vermeiden. An diesem Abend wird das System vorgestellt und diskutiert.

6.)    Schweigen für Frieden und Gerechtigkeit
Dienstag, 6. Oktober 2015, 17.30-17.45
Münsterplatz in der Nähe des Prangers, 53113 Bonn

Veranstalter: Interreligiöse Initiative Schweigen für Frieden und Gerechtigkeit
Vgl. auch: http://www.migrapolis-deutschland.de/?id=2354

7.)    Friedensverantwortung Interreligiöses Podiumsgespräch
Sonntag, 22. November.2015, 13-16 Uhr
Haus der Geschichte, Willy-Brandt-Allee 14, 53113 Bonn
im Rahmen der Bonner Buchmesse Migration 2015
Veranstalter: BIM e.V. www.bimev.de

Überhöhungen von ethnischen und nationalen Identitäten, politischen Ideologien und ökonomischen Interessen ins Heilige fanatisieren und instrumentalisieren Religionen nicht selten und gefährden das friedliche Zusammenleben der Menschen. Folgende im interreligiösen Dialog Aktive stellen sich der Frage, welche Verpflichtungen und Möglichkeiten wir als gläubige Individuen und als Funktionsträger religiöser Institutionen haben, uns und unseren Glauben davor schützen können.
Auch Abschlussarbeiten von Lehramtsstudierenden für evangelischen Religionsunterricht an der Universität Bielefeld beschäftigen sich mit Themen des interreligiösen Miteinanders, z.B. mit der Konversion von Hindus zum Christentum, den Beweggründen von Jugendlichen, sich fanatischen islamistischen Gruppen anzuschließen oder mit dem islamischen und evangelischen Religionsunterricht und dem Blick auf die je andere Religion. Einige Absolvent*innen werden ihre Arbeiten vorstellen und in die Diskussion mit einbringen.

Bisher (Stand: 04.09.2015) zugesagt haben:      
Sugantan Amuthalingam, evangelischer Lehramtsstudent
Anne-Marie Laurent, buddhistische Dialog-Aktivistin
Dr. phil. Aziz Fooladvand, islamischer Religionslehrer
Sabrina Kettler, evangelische Lehramtsstudentin
Dr. med. Hossein Pur-Khassalian, islamischer Dialog-Aktivist
Jochen Ring, römisch-katholischer Religionslehrer
Lioba von Lovenberg, Quäkerin und Dialog-Aktivistin
Claudia Mohedjeri, Vorsitzende der Bonner Bahá’í-Gemeinde
Moderation: Dr. phil. Michael A. Schmiedel, Religionswissenschaftler

Seien Sie uns also herzlich willkommen!
Weitere Termine werde ich wieder in dem kleineren Verteiler rundschicken, dem Sie aber gerne beitreten können.

Herzliche Grüße,
Ihr Michael A. Schmiedel

PS: Das Zitat oben stammt aus dem Interview Ephraim Kishons mit sich selbst „Unter zwei Augen“ in seinem Buch „Abraham kann nichts dafür. 66 neue Satiren“, München, Wien (Albert Langen, Georg Müller) 1984, S. 189.


Interreligiöser Rundbrief Nr. 2015-04

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Interreligiöser Rundbrief für Bonn und Umgebung 2015-04
(25.10.2015)

„Die Liebe zum Eigenen – zur eigenen Kultur wie zum eigenen Land und genau so zur eigenen Person erweist sich in der Selbstkritik. Die Liebe zum anderen – zu einer anderen Person, einer anderen Kultur und selbst zu einer anderen Religion – kann viel schwärmerischer, sie kann vorbehaltlos sein. Richtig, die Liebe zum anderen setzt die Liebe zu sich selbst voraus. Aber verliebt, wie es Pater Paolo und Pater Jaques in den Islam sind, verliebt kann man nur in den anderen sein. Die Selbstliebe hingegen muss, damit sie nicht der Gefahr des Narzismus, des Selbslobs, der Selbstgefälligkeit unterliegt, eine hadernde, zweifelnde, stets fragende sein. Wie sehr gilt das für den Islam heute! Wer als Muslim nicht mit ihm hadert, nicht an ihm zweifelt, nicht ihn kritisch befragt, der liebt den Islam nicht.“              Navid Kermani[1]


Foto: Michael A. Schmiedel

Liebe Leser*innen des interreligiösen Rundbriefes,

ein Thema beschäftigt derzeit die Gesellschaft und zwar so sehr, dass man damit konfrontiert wird, egal ob man will oder nicht: die Flucht von Millionen von Menschen aus ihren Heimatländern, in denen Krieg und Not herrschen. Es beeinflusst unser Denken so sehr, dass meine Frau und ich letztens im Wald meinten, ein Schild mit der Aufschrift „Schlepperweg endet. Kein Durchkommen“ gesehen zu haben. Nun war es aber kein Schlepperweg, sondern ein Schleppweg, also eine Rückegasse, auf der man gefällte Bäume aus dem Bestand zieht. Und doch dachten wir, ein solches Schild sollte man dort aufstellen, wo Schlepper die Flüchtlinge auf Boote oder in LKW pferchen, um damit viel Geld zu verdienen. Wenn das nur so einfach wäre!

Es drängt mich einerseits, zum Flüchtlingsthema etwas zu schreiben, aber zugleich schrecke ich davor zurück, denn es wurde schon so viel dazu geschrieben und gesagt. Fast immer, wenn mir ein origineller Gedanke dazu kommt, höre oder lese ich diesen Gedanken schon aus anderem Munde oder anderer Tastatur. Eigentlich ist schon alles Wichtige gesagt und geschrieben. Allein, an der Katastrophe ändert das nichts, zumindest noch nicht merkbar.

Die richtigen, wenn auch augenscheinlich ohnmächtigen Worte kommen oft von Menschen, denen man doch eher die Aufgabe anvertraut, uns zum Lachen zu bringen, als seröse Reden zu halten, nämlich von den Kabarettisten. Egal ob in der „Anstalt“, der „heute-show“ oder den  „Mitternachtsspitzen“, die Kabarettisten sind Meister der Eulenspiegelei und halten Hofnarren gleich den Mächtigen den Spiegel vor.[2]Nicht selten bleibt mir das Lachen im Hals stecken, denn die vorgeblichen Lachnummern gleichen eher prophetischen Mahnworten und moralphilosophischen Anklagen, die eines Elia oder Seneca würdig wären. Wer diese Sendungen regelmäßig sieht, braucht hier eigentlich nicht weiterzulesen.

Oder sie kommen von Literaten, wie dem jetzt mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geehrten Navid Kermani, dessen Rede nach der Verleihung mir so nahe ging, wie sonst keine. Wer sie gehört oder gelesen hat, braucht hier auch nicht weiterzulesen. Wer sie nicht kennt findet sie hinter dem Link in Fußnote 1. Ich folge meinem Verständnis seiner Rede hier insofern, dass ich in diesem Text hauptsächlich unsere eigene Wirtschaftsordnung als mitschuldig an der Misere kritisiere, bei aller Liebe zur unserer freiheitlichen Gesellschaft.

Manchmal kommen sie auch von Politkern oder gar von unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel, was die oben genannten Kabarettisten deswegen verzweifeln lässt,  weil „Mutti“ doch sonst ihre liebste Spottfigur ist, an der sie aber in Bezug auf das Flüchtlingsthema nicht nichts, aber nicht so viel wie üblich auszusetzen haben. Aber hier würde ich doch sagen: Auch wer sich die Reden der Politiker*innen regelmäßig anhört, sollte hier weiterlesen.

Natürlich kommen sie auch von den Männern und Frauen der Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften, aber das erstaunt nicht weiter, denn Nächstenliebe, Mitgefühl, Barmherzigkeit zu verkünden ist ja gewissermaßen ihr Job.

Weniger Worte als tatkräftige Hilfe kommt von vielen ehrenamtlichen Menschen, die den Hauptamtlichen nicht nur zur Hand gehen, sondern sie auch kritisieren, wenn sie ihren Job nicht richtig machen.

Ich muss gestehen, bisher habe ich weder über das Thema geschrieben, noch habe ich tatkräftig geholfen, abgesehen von einem Mal, als ich im Kölner Hauptbahnhof einer syrischen Familie half, ihre vielen Taschen  in den Zug nach Gießen zu verladen. Eine Frau, ein Mann und zwei kleine Jungs, mit mehr Taschen, als sie auf einmal tragen konnten, darin aber wohl alles, was sie retten konnten von ihrem einstigen Hausstand. Ich erklärte ihnen, wie sie in Siegen umsteigen müssen, gab ihnen ein paar Müsliriegel mit und ließ sie weiterfahren, als ich in Siegburg ausstieg. Mehr habe ich nicht getan. Ich bekam noch mit, wie eine Frau dem einen Jungen half, das Papier des Müsliriegels zu öffnen und dieser dann herzhaft hinein biss. Der Mann winkte mir nach, und sie fuhren dahin, nachts in einem fremden Land.    

Ich muss gestehen, auch mir machen die Nachrichtenbilder Angst. Angst vor den Zahlen. Ich habe Bilder von historischen Völkerwanderungen vor Augen, sei es die germanische im 4./5., sei es die europäische im 19./20. Jahrhundert. Beide haben die Länder verändert, in die die Massen kamen, Europa bis Nordafrika im ersten, Amerika und Australien oder die ganze Welt im zweiten Fall. Die Germanen flohen vor den Hunnen, die Europäer vor der Herrschaft des Adels, vor Pogromen des Pöbels und vor der Armut. Auch wenn die historischen Umstände immer verschieden waren, so waren die Fluchtursachen doch sehr ähnlich. Freiwillig verlässt kaum jemand die Heimat.

Zahlen. Die syrische Familie im Zug hatte die Zahl vier. Vier Menschen unterwegs einer ungewissen Zukunft entgegen. Dermaßen herausgeschält aus der Masse bekommen die Flüchtlinge Gesichter: eine Bitte des Mannes um eine Information, ein Lächeln der Frau, ein angestrengtes Gesicht des größeren der beiden Jungs, der auch etwas tragen wollte, die geschlossenen Augen des kleineren, der im Zug schnell eingeschlafen war. Man kann zwar vieles in Zahlen ausdrücken, Menschlichkeit aber nicht.

Noch mehr Angst als vor den Zahlen habe ich vor den Ursachen der Flucht. Abstrakt sind das Krieg, Terror, Armut, Ausbeutung, Klimawandel, je nachdem, aus welchem Land jemand flieht. Konkret sind es Menschen. Anders als bei dem Tsunami, von dem ich 2004 schrieb, da könne kein Mensch was dafür, außer, dass das technisch mögliche Frühwarnsystem aus finanziellen Gründen nicht vorhanden war, sind hier eindeutig Menschen die Schuldigen. Da sind die Diktatoren wie Assad, die Terrorgruppen wie der IS, die Waffenindustrie, die vor allem ihr eigenes Geld vermehren will, egal, wer die Waffen letztlich benutzt und gegen wen, generell die kapitalistische Wirtschaft, die am liebsten alles in Zahlen ausdrückt, Verluste, Gewinne, Umsätze, Marktwachstum und Menschenwürde. Wir leben ja noch ganz gut mit dieser Wirtschaft und der sie fördernden Politik in unseren reichen Ländern. Reichtum weckt Begehrlichkeiten, die Benachteiligten wollen auch was vom Kuchen abhaben, für den sie doch schon so lange mitarbeiten, indem sie ihre Arbeitskraft und Rohstoffe billig verkaufen. Ungerechtigkeit weckt Hass, und so spannen sie nun Gott selbst vor den Karren ihres Rachefeldzuges, um die Machtverhältnisse umzukehren, foltern, töten, zerstümmeln mit physischer Gewalt, weil ihnen die strukturelle fehlt, unter der sie so lange litten. Mit Gott gegen die mit Geld, bis das Geld den Besitzer gewechselt, hat, dann können die anderen Gott haben.  Nach nicht vermarktbaren Idealen lechzende Jugendliche lassen sich verführen, so wie damals in der Hitlerjugend. Fanatische Werte als Antwort auf den Wahn, alle Werte in Zahlen ausrechnen zu wollen. Sie schwingen sich auf in das Reich der Götter, die über Leben und Tod entscheiden, und werden doch nur Halbgötter, eifersüchtige Götter, um es in buddhistischer Terminologie auszudrücken, wenn nicht gar Höllenwesen, leidend und Leid bringend. Sie opfern andere und sich selbst, obgleich der Gott, an den zu glauben sie vorgeben, schon Abraham gesagt hat, dass er keine Menschenopfer will, wie es das Judentum, das Christentum und der Islam lehren. Um selbst erlöst zu werden, so lehrt wiederum der Buddhismus, muss man zuerst einmal Mensch werden.

Unsere Bundeskanzlerin verteidigte das Grundgesetz, das eine Obergrenze der Aufnahme von Asylbewerbern ausschließt mit den Worten, sie wolle das C im Namen ihrer Partei achten. Ihre Erziehung in einem Pfarrhaus zeigt Früchte. Während dessen wollen andere das christliche Abendland verteidigen, vor den Flüchtlingen wohlgemerkt, nicht vor den Fluchtverursachern. Sie schwingen die rote Flagge mit dem schwarzen, gold umrandeten Kreuz, die Ende der 1940er auch antrat, um Bundesflagge zu werden. Überall in den europäischen Ländern mit einem Kreuz in der Flagge oder ohne haben und schüren sie Angst, die Abendlandverteidiger, für die Gott der ihres Stammes ist, nicht der Schöpfer aller Menschen. Der Streit geht durch die Christenheit: Gehört Gott uns oder gehört ihm die Welt? Haben wir uns unsere Demokratie und unseren Wohlstand mit Gottes Hilfe fleißig erarbeitet und verdienen so exklusiv auch seinen Segen? Oder haben die Flüchtlinge ein Anrecht darauf, nachdem ihre Feinde sie mit Waffen beschossen haben, die unsere Wirtschaft ihnen verkauft hat und nachdem sie von ihrer Landwirtschaft nicht mehr leben können, weil unsere Konzerne ihnen Land und Wasser streitig machen und die Fische vor ihren Küsten wegfangen, auf dass wir schöne preiswerte Lebensmittel bekommen?

Ich möchte keine Monokausalitäten lehren, sondern die Komplexität nur ein wenig reduzieren. Das wirtschaftliche Ungleichgewicht auf der Erde fördert den Terror, sowohl den staatlichen als auch den kriminellen. Die immer noch zunehmende Ökonomisierung aller Lebensbereiche fördert den Konkurrenzkampf um die knappen Ressourcen. Mit diesem Satz meine ich nur eine falsche Ökonomie, die Geld nicht nur als Zählmittel für Waren und Leistungen, sondern als Zweck und Sinn des Wirtschaftens sieht. Ist aber schon der Sabbat, der laut jüdischer Schöpfungsinterpretation älter ist als Himmel und Erde, um des Menschen und des Lebens willen da, wie nicht nur Jesus, sondern auch die Pharisäer sagten, so doch erst recht das Geld, und nicht umgekehrt. Und Menschen sind nicht nur die, die vom „making money“ viel verstehen.

Selbstverständlich trägt jeder Mensch trotz aller Einflüsse der von anderen Menschen geschaffenen Umstände auch einen mehr oder weniger großen Eigenanteil an Verantwortung für das, was er tut. Doch je mehr Macht jemand hat, desto größer ist auch seine Verantwortung, da sein Handeln größere Wirkungen hat und demzufolge stärker auch andere Menschen und Lebewesen betrifft.

Bei aller Kritik an den Mächtigen und denen, die nach Macht gieren, möchte ich aber auch sagen, dass ich für die Ängste der Menschen vor einer ihnen aufgezwungenen Veränderung ihres Lebensraumes und ihrer Gewohnheiten auch Verständnis habe. Menschen sind im Grunde weitgehend konservativ. Das, woran wir uns gewöhnt haben, hat sich oft für uns bewährt, damit kennen wir uns aus und fühlen uns wohl. Änderungen, die uns von außen, von anderen Menschen, aufgezwungen werden, sei es von den Mächtigen in Politik und Wirtschaft, sei es von einer Besatzungsmacht, sei es von Menschen, die neu in unsere Nachbarschaft ziehen, bilden für uns oft ein Problem. Wir müssen unsere Verhaltensweisen ändern, uns an veränderte Anblicke oder Abläufe gewöhnen, ohne dass wir diese Änderung bewusst und absichtlich gesucht hätten. Der so genannte „kleine Mann“ und auch die „kleine Frau“ fühlen sich oft genug ohnmächtig gegenüber den vielen Einflüssen von außen, die von anderen Menschen verursacht werden. Der eine kann das gut kompensieren, ein anderer kommt damit nicht klar.

Ich sehe darin auch einen Grund, warum die Abweisung von Flüchtlingen in unseren östlichen Nachbarländern so vehement ist. Sie blicken auf Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte der Fremdherrschaft zurück, sei diese osmanisch, preußisch, österreichisch, russisch, deutsch oder sowjetisch. Nun sehen sie in der EU endlich die Möglichkeit völliger Selbstbestimmung. Diese sehen sie aber gefährdet durch die vielen Fremden, die ins Land kommen und durch die EU, die ihnen wieder von außen Vorschriften machen will. Auch ist deren Wirtschaftskraft bei weitem nicht so hoch wie die der alten EU-Länder. Vergleichen Sie nur einmal die Restaurantpreise in Tschechien mit denen in Deutschland und machen daraus Rückschlüsse auf die Kaufkraft der Menschen, von da auf das Steuereinkommen und von dort auf den Staatshaushalt.

Dass sich nun die Ablehnung oder gar der Hass aber gegen die Flüchtlinge richtet, also gegen die Opfer des Geschehens, ist freilich ein Fehler. Soll er sich doch gegen die Täter richten, derentwegen die Flüchtlinge zu Flüchtlingen wurden! Nicht der bedroht unsere Lebensweise, der dazu gezwungen wurde, zu uns zu kommen, sondern der, der ihn dazu zwingt, seine Heimat zu verlassen! Noch besser ist es freilich, keinen Hass aufkommen zu lassen.

Dummerweise sind wir es eben zum Teil selber, die durch unsere Wirtschaftsweise und unsere Hegemonialpolitik die Lebensumstände in vielen Ländern so beeinflussen, dass man dort nicht mehr ohne Gefahr an Leib und Leben und menschenwürdig leben kann. Das müssen wir uns schon eingestehen. Und hier gilt das oben gesagte: Je mächtiger wir sind, desto mehr Verantwortung haben wir. Dummerweise gilt aber auch: Je mehr Verantwortungsbewusstsein wir haben, desto weniger streben wir nach Macht, so dass nur die mächtig werden, die sich aus Verantwortung nicht viel machen. Wie wäre das zu ändern?

In Bezug auf die Flüchtlinge gilt es also mal darüber nachzudenken, ob das an Fremdheit, die sie mit ins Land bringen, wirklich nicht zum Aushalten ist oder ob das, was von uns an zumindest Toleranz gefordert wird, nicht vielmehr eine kleine Gegenleistung für das ist, was sie nicht zuletzt unseres Wohlstandes willen schon zu erleiden hatten. Wären unsere Unternehmer nicht Meister im Outsourcing von billigen Arbeitsplätzen, im Import billiger Rohstoffe und im Export von Waren, an denen sie gut verdienen, sähe es bestimmt besser aus auf der Welt. Da unser Wohlstand – auch der des „kleinen Mannes“ – aber zum Teil auf eben diesen Praktiken beruht, können wir nicht so tun, als seien wir total unschuldig an dem allen. Die sogenannten Wirtschaftsflüchtlinge fliehen doch eben vor einer Wirtschaft, die ihnen Armut und uns Wohlstand beschert. Und die Kriegsflüchtlinge fliehen vor Kriegen, die sich neben religionistischen und ethnizistischen auch wirtschaftlichen Gründen verdanken, die ihre Ursache in globalen Konkurrenzkämpfen um natürliche und menschliche Ressourcen haben.

Ja, soweit her ist es nicht mit meiner Komplexitätsreduzierung. Es ist viel mehr sehr komplex und nicht so einfach zu erklären, aber müsste ich die Ursachen für die ganze Katastrophe in drei Worte fassen, würde ich die samsarische Trias Gier, Hass und Verblendung nennen, die in buddhistischer Terminologie die drei Gifte sind, die das menschliche Denken, Fühlen, Reden und Handel in einem nicht enden wollenden Leidenskreislauf gefangen halten.

Wenn ich schon mal beim Buddhismus bin, fällt mir ein, dass es einige Berufe gibt, die man nicht ausüben sollte, wenn man aus eben diesem Kreislauf erlöst werden möchte. Interessanterweise ist der Soldat nicht so eindeutig darunter, denn die Verteidigung des eigenen Landes gegen militärische Angreifer ist buddhistisch erlaubt, und das geht nunmal nicht ohne Soldaten. Aber der Beruf des Waffenhändlers gehört eindeutiger dazu. Ich stelle mir eine Gesellschaft vor, in der niemand mit der Herstellung oder dem Verkaufen von Kriegswaffen Profit machen kann. Eine Gesellschaft, in der ein Staat mit Steuermitteln die zur Selbstverteidigung notwendigen Waffen herstellt, oder mehre verbündete Staaten zusammen, in der aber nicht die Privatwirtschaft damit betraut wird, den Lebensunterhalt von Menschen davon abhängig zu machen, dass andere Menschen Kriege führen. Und vor allem eine Gesellschaft, in der der Zweck des Wirtschaftens nicht die Vermehrung von Geld in privaten oder firmeneigenen Anlagen ist, sondern die Versorgung der Menschen mit dem, was sie brauchen, um gesund und glücklich zu leben. Ist Ihnen das zu utopisch?

Genauso utopisch ist wohl die Vorstellung, dass der oberste Wunsch des wirtschaftenden Menschen das Glück aller am Wirtschaftsprozess Beteiligten sein sollte, von den Lebewesen der vom Wirtschaften betroffenen Ökosystemen über die Menschen, die die Rohstoffe an- oder abbauen und die Waren produzieren und die Händler und Transporteure, die die Waren von den Produzenten zu den Konsumenten bringen bis hin zu den Konsumenten am Ende der Kette. Wenn das eine Utopie ist, dann ist es eine Utopie des Lebens, während die Utopie der grenzenlos vorhandenen und ausbeutbaren Natur und Menschheit, die Utopie, den Willen Gottes mit Gewalt durchsetzen zu können und die Utopie, sich auf Kosten anderer zu bereichern und sich zugleich von diesen anderen abschotten zu können Utopien des Todes sind. Und gar keine Utopie, keine Träume und Wünsche mehr zu haben, sich mit dem Status quo abzufinden und nur noch zu funktionieren in wunschlosem Unglück, das sind, wie Michael Ende es nannte, die Sümpfe der Traurigkeit. Es sei denn man ist wunschlos glücklich, dann ist man erwacht oder erleuchtet, aber so weit sind wir noch nicht.

Denken Sie jetzt, das war aber nicht neues? Da haben Sie Recht, ich habe ja am Beginn des Textes schon darauf hingewiesen. Oder denken Sie, das war schon alles bekannt, aber Wiederholung ist die Mutter des Studiums? Sollte mein Text diesem Zwecke dienen, bin ich zufrieden mit ihm. Oder Sie denken, das ist doch alles Unsinn, was der Schmiedel da schreibt. Da würde ich Ihnen widersprechen, denn wenn ich da Ihrer Meinung wäre, hätte ich es nicht geschrieben.

Ich erwähne zum Schluss aber noch eine andere Berufsgruppe, von der hin und wieder mahnende Worte kommen, nämlich die der Naturwissenschaftler. Harald Lesch zum Beispiel sagte letztens in „Terra X“, dass wir, wenn wir dereinst unseren Planeten verlassen müssen, um unsere Art über die Lebensdauer der Erde hinaus zu erhalten, gelernt haben müssen, friedlich miteinander umzugehen, denn die Raumschiffe seien eng und die Reise sei lang.[3]Und in „Leschs Kosmos“ erklärte er, das nordatlantische Glasfaserkabel diene vor allem dem noch schnelleren Börsenhandel.[4]Ja, was soll man sagen über eine Gesellschaft, deren technische Fortschritte und Errungenschaften dann am spektakulärsten sind, wenn es um die Überflügelung von militärischer oder wirtschaftlicher Konkurrenz geht? Abgesehen davon, dass von den Börsenspekulationen nur sehr wenige Menschen was haben, während sie den meisten Menschen eher schaden als nützen, so dass man die im wahrsten Sinne des Wortes als a-sozial bezeichnen kann. Wenn Sie mir nicht glauben und den Kabarettisten, Literaten und Kirchenleuten auch nicht, dann glauben sie den Naturwissenschaftlern. Aber nur denen, deren Gutachten nicht vom Militär oder von der Wirtschaft bezahlt werden. 


Noch’n Gedicht:

Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren
Sind Schlüssel aller Kreaturen
Wenn die, so singen oder küssen,
Mehr als die Tiefgelehrten wissen,
Wenn sich die Welt ins freye Leben
Und in die Welt wird zurück begeben,
Wenn dann sich wieder Licht und Schatten
Zu ächter Klarheit werden gatten,
Und man in Mährchen und Gedichten
Erkennt die wahren Weltgeschichten,
Dann fliegt vor Einem geheimen Wort
Das ganze verkehrte Wesen fort.
                                                            Novalis[5]


Herzliche Grüße,
Ihr Michael A. Schmiedel
http://www.migrapolis-deutschland.de/?id=michaelaschmiedel

Interreligiöser Rundbrief im Netz:
http://interreligioeser-rundbrief.blogspot.de

PS: Diesen Text schrieb ich hauptsächlich im Zug zwischen Bielefeld und Siegburg am 20. und 21.10.2015 und machte ihn in den Tagen danach fertig.





[1] Zitat von Navid Kermani aus: Friedenspreis des Deutschen Buchhandels: Die Rede des Preisträgers Navid Kermani. Jacques Mourad und seine Liebe in Syrien, In: FAZ, Montag 19. Oktober 2015, S. 10-11, hier S. 10. – Die Rede ist auch online lesbar auf der Seite des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels: http://www.friedenspreis-des-deutschen-buchhandels.de/819312/(geöffnet am 25.10.2015).
[3]Vgl. Terra X: Faszination Universum. Im Bann des Lichts: http://www.zdf.de/terra-x/im-bann-des-lichts-faszination-universum-mit-harald-lesch-40222828.html?tabNo=0, ca. bei Minute 42 (aufgerufen am 25.10.2015).
[4] Vgl. Leschs Kosmos: Geldgier. Wahnsinn mit Methode: http://www.zdf.de/leschs-kosmos/leschs-kosmos-5988324.html, ca. ab Minute 3 bzw. -27 (aufgerufen am 25.10.2015)..
[5] Zitiert nach: Wikipedia, Art: Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren: https://de.wikipedia.org/wiki/Wenn_nicht_mehr_Zahlen_und_Figuren, aufgerufen am 25.10.2015.

Rückmeldung eines Lesers zum Interreligiösen Rundbrief Nr. 2015-04

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Mit der Erlaubnis des Autors gebe ich hier seine Rückmeldung zum Interreligiösen Rundbrief Nr. 2015-04 wieder:

Lieber Michael,

Du schreibst mir aus der Seele.

Du weiß, dass ich weit vom linken Ideenspektrum entfernt bin, aber ein zentraler Begriff meines christlich-liberalen Weltbildes ist (neben dem der Freiheit) der der Verantwortung. Hier in Accra (Ghana), wo Nicole und ich derzeit unter sicherlich sehr privilegierten Bedingungen leben, können wir hautnah erleben, welche Mitverantwortung die wirtschaftlich entwickelten Länder an der wirtschaftlichen Lage vieler Menschen haben.
Nur drei spontane Beispiele mit Deutschlandbezug, die wir hier tagtäglich sehen:

- 6 km von unserem Haus entfernt ist die große Elektromüllhalde von Agbogbloshie, wo auch deutscher Elektroschrott von Kindern und Jugendlichen auf kleinen und großen Feuern verbrannt wird, um an die verbauten Metalle zu gelangen. Die Halde gehört darum zu den 10 giftigsten Orten der Welt. Die Gifte gehen direkt in die Luft (und die Lungen) und in den angrenzenden Fluss, der sofort ins Meer fließt, aus dem die Fischer versuchen, kleine Fische zu fangen, die wiederum umgehend lokal konsumiert werden. Der Müll dürfte eigentlich nicht die EU verlassen, aber er tut es eben doch und in Deutschland haben wir eine schöne, saubere Umwelt...

- Überall in der Stadt und auf dem Land gibt es kleine Nähstuben, in denen Männer und Frauen als selbständige Schneider arbeiten. Früher gab es viel mehr davon und die Schneider konnten brauchbar von ihrer Arbeit leben, denn fast alle Kleidung wurde lokal auf diese Weise hergestellt.
(Ghana produziert übrigens auch herrlich bedruckte Stoffe.) Das Schneiderhandwerk leidet aber sehr stark, denn ebenfalls überall kann man sehr billige gerauchte Kleidung und Schuhe kaufen. Diese stammen aus unseren westlichen Altkleidersammlungen, die wir bereitwillig befüllen.
Die Sammler (bestenfalls das Rote Kreuz) verdienen an dem Verkauf der gespendeten Sachen und machen hier einen funktionierenden Markt kaputt.
Und die Kleiderspender haben dabei ein gutes Gewissen.

- Ghanas Fischer haben die großen Fische immer mit Netz und Leine weit draußen auf dem Meer gefangen, wohin sie teilweise tagelang mit offenen Einbäumen fahren. Dummerweise haben die Nordamerikaner, Russen, Chinesen und Europäer mit ihren Fabrikschiffen längst alles abgefischt. Uns hat das gesunden Fisch billig auf den Tisch und die hiesigen Fischer um ihre Existenzgrundlage gebracht.

Die Liste ließe sich weiterführen. Im Durchschnitt geht es Ghana nicht mal schlecht, aber die persönlichen Perspektiven sind nicht wirklich toll. Kein Wunder, dass auch Ghanaer das Gold am Ende des Regenbogens suchen und sich in den Strom der Wirtschaftsflüchtlinge einreihen. Wie verständlicher ist eine wirtschaftliche Fluchtmotivation bei Menschen aus viel ärmeren Staaten?

Natürlich sind die entwickelten Länder nicht an allem Elend schuld und nicht einmal die Kolonialzeit ist es. Nachteile bei Bildung, Gesundheit, Infrastruktur und Marktzugängen tun ihr übriges. Und Korruption und der Unwille, Hergebrachtes in Frage zu stellen und zu verändern, sind hier in Ghana wesentliche hausgemachte (Mit)ursachen. Aber man muss doch feststellen, dass wir eine strukturelle und - oh Schreck - oft eine persönliche Mitverantwortung nicht negieren können.

Folglich sind wir moralisch verpflichtet, uns mit der Flüchtlichproblematik auseinander zu setzen, und zwar auch, soweit es sich "nur" um Wirtschaftsflüchtlinge handelt.

Leider befreit das Benennen der strukturellen Fluchtursachen (und ich habe jetzt nur über den Anblick "vor meiner Haustüre" in Accra berichtet) nicht davon, konkrete Lösungen im Umgang mit den flüchtenden Menschen in Deutschland zu finden. Da tue ich mich auch schwer. Ich habe das Gefühl, dass die Kanzlerin mit ihrem "Wir schaffen das" Fakten schaffen und damit einen so großen Handlungsdruck aufbauen will, dass die deutschen Parteien (vor allem ihre eigene) und die EU sich nicht mehr wegducken können, sondern das Problem gemeinsam angehen müssen. Das wird unbequem. Aber dieses ewige Fernhalten des Problems und das Negieren der Mitverantwortung ist wirklich peinlich und beschämend. Der Kanzlerin Strategie ist gewagt, aber ich bin davon überzeugt, dass gemeinsam tatsächlich Lösungen möglich sind.

Wobei bei aller Romantik die Wahrheit dazu gehört, dass wir leider nicht alle Ungerechtigkeiten auf der Welt abschaffen können und dass Deutschland oder die EU nicht alle Flüchtlinge aufnehmen kann und viele wieder zurückschicken muss. Hier sind gute Konzepte möglich, aber leider noch nicht auf dem Meinungsmarkt. Zentrales Regelungsinstrument wäre unter anderem ein Zuwanderungsgesetz. Doch solange es Parteien gibt, die dieses Wort nicht einmal aussprechen können, muss die Kanzlerin wohl so weiter machen. Immerhin machen die vielen freiwilligen Helfer Mut, auch wenn das für sich genommen noch kein tragfähiges Konzept ist.

Neben Unterbringung und Finanzierung werden diejenigen Flüchtlinge eine zentrale Herausforderung sein, die sich während ihrer Zeit in Deutschland gut integriert haben. Soll man die behalten oder zurückschicken? Wenn wir uns darüber klar werden, was Integration für uns bedeutet, wie wir sie definieren wollen (z.B. über erworbene Sprachkenntnis, feste Arbeitsstelle, gesellschaftliches Engagement etc.), dann sollen wir doch über die Integrierten froh sein und sie behalten.

Ich habe dazu noch gar keine abgeschlossene Meinung, denn es gibt so viele große und kleine Stellschrauben und all die Gestaltungsmöglichkeiten müssen in Deutschland und Europa erst einmal in die Diskussion gelangen und von allen Seiten ernsthaft und unaufgeregt beleuchtet werden. Hoffentlich kommt es irgendwann dazu.

Dir jedenfalls Danke für deinen Debattenbeitrag und Dir und Petra alles Gute!

Herzlich aus Accra,
Näx

Drei weitere Rückmeldungen zum Interrel. Rb. Nr. 2015-04

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Es kamen noch drei Rückmeldungen oder Leserbriefe zum Interreligiösen Rundbrief Nr. 2015-04, die ich hier mit Erlaubnis der Autoren veröffentliche:

1.

Hallo Michael,
danke für den Rundbrief, der viele Wahrheiten und sehr viel Nachdenkliches beinhaltet.
Bei der Fülle an bad news, die den lieben, langen Tag auf uns abgefeuert werden, muss man bekloppt werden, ob man will…..oder nicht.
Du hast sehr fleißig recherchiert, sehr viele, verbesserungswürdige Fakten zusammengetragen……aber, wen wird es in seinem Handeln positiv beeinflussen?
Die Menschen sind nun mal die größte Fehlleistung der Evolution.
Diese Erkenntnis spaltet uns in die Mitmacher, die Mahner und die Penner.
Geh’n wir lieber mal wieder wandern!
Evtl. könnte die Vulkaneifel auch einmal für ein Treffen geeignet sein.
Herzliche Grüße aus Neurath…..natürlich auch an Petra
Helmut

*
 Die nächsten beiden Autoren gehen mehr auf die Rückmeldung von Näx ein:

2.
 Der Leserbriefschreiber hat größtenteils mMn Recht. Allerdings glaub ich nicht, dass ein "Einwanderungsgesetz" an der Misere etwas ändern wird. Nationalstaatliches Denken hilft uns da keinen Schritt weiter, macht meines Erachtens alles noch schlimmer. Viel mehr wird es endlich Zeit für ein gewaltiges weltweites Umdenken und Umgestaltung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen und Beziehungen - weltweit. Recycling von Problemmüll wie beispielsweise von alten Handys und Fernsehern ist mittlerweile relativ problemlos möglich. Meines Wissens gibt es in Regensburg sogar eine Firma, die dies macht. Diese Industrie ließe sich bestimmt exportieren, und regional ausführen. Gibt Menschen auch in anderen Ländern Arbeit und löst deren Umweltproblem, Kriege um Rohstoffe würden wohl weniger, da Rohstoffe wieder verwendet werden könnten und weniger gesucht werden müssten. Unsere europäischen Regionen müssten wir auch wohl wieder teilweise industrialisieren, umweltfreundlichere Verarbeitungsgewerbe ohne diese teilweise endlos erscheinenden Transportwege von einem Produktionsschritt zum anderen...Übrigens dasselbe sollte für die Landwirtschaft gelten, kurze Transportwege, saisonales Obst und Gemüse etc...

Das mal als einen kleinen Einwurf dazu.
Asterix
(Diese Rückmeldung wurde zuerst veröffentlicht auf http://www.rockmode.de/index.php?topic=4967.msg67642#msg67642.)

*
3.
Lieber Michael,

danke für Deine interreligiösen Rundbriefe. Aus mancherlei Gründen kann ich Deine Briefe nicht immer zeitnah lesen. Trotzdem finde ich es spannend und bereichernd von Dir ausgewertet und bewertet über verschiedene Themen zu lesen. Dabei finde ich Deine bewusst subjektive Auswahl gut. Das zeigt auch der unten erwähnte Leserbrief. Sicherlich habe ich schon irgendwie über die angesprochenen Themen (Sondermüll, Altkleidersammlung, Fabrikfischdampfer usw.) gehört. Etwas ganz anderes ist es, persönliche Eindrücke zu Themen zu hören, die bestenfalls im Weltspiegel angesprochen werden, dann aber doch für mich anonym bleiben.

Ich freue mich darauf, wieder von Dir zu lesen.

Herzliche Grüße aus Bremen

Michael

Bis 2008 war ich in Bonn im Arbeitskreis Muslime und Christen im Bonner Norden (Arbeitsgruppe Ö) und wir hatten uns in diesem Zusammenhang kennengelernt (Michael Ring).




Interreligiöser Rundbrief Nr. 2015-05

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Interreligiöser Rundbrief für Bonn und Umgebung Nr. 2015-05 (19.11.2015)
Vom Herzen gehen die Dinge aus,
sind herzgeboren, herzgefügt:
wer bösgewillten Herzens spricht,
wer bösgewillten Herzens wirkt,
dem folgt nothwendig Leiden nach,
gleich wie das Rad dem Hufe folgt.

Vom Herzen gehen die Dinge aus,
sind herzgeboren, herzgefügt:
wer wohlgewillten Herzens spricht,
wer wohlgewillten Herzens wirkt,
dem folgt nothwendig Freude nach,
dem untrennbaren Schatten gleich.
                                              
                               Dhammapadam 1,1-2[1]

Liebe Leser*innen,
meine Frau und ich sahen uns letzten Freitagabend gerade „Soko Leipzig“ im Fernsehen an, als Laufbänder am unteren Bildschirmrand über Schießereien in Paris informierten. Den weiteren Verlauf der Ereignisse am Freitag, dem 13.11.2015 in Paris brauche ich hier nicht zu schildern, den kennen Sie mindestsens so gut wie ich, der ich ihn auch nur aus den Medien kenne. Meine Frau meinte, es wäre vielleicht besser gewesen, gar nicht davon zu berichten, denn jede Medienöffentlichkeit nütze dem IS. Aber man kann es ja nicht verschweigen, zumal jedes Verschweigen Wasser auf die Mühlen von Verschwörungstheoretikern wäre. Vielmehr bin ich sogar recht positiv überrascht, über die Art, wie die Medien und die Öffentlichkeit, gerade auch in Frankreich, mit diesem Verbrechen umgehen. Keine Massenhysterie, keine Hasspredigten, keine Racheaufrufe. Sicher gibt es das alles auch, aber eher vereinzelt, nicht die Grundstimmung bestimmend. Das Hauptgefühl ist sicher Trauer, vielleicht sogar stärker als die Angst, die auch da ist. Und es gibt Wut und Trotz.  Vor allem aber mach sich ein Friedenswille bemerkbar. Aus dem Friedenssymbol der Kampagne für nukleare Abrüstung  mit dem Kreis und dem stilisierten N und D aus dem Winkeralphabet wird in Verbindung mit einer Umformung des N und D zu einem Eiffelturm ein neues Friedenssymbol.[2]Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit werden postuliert und als „unsere Werte“ dem Hass der Terroristen entgegengehalten.

Und doch kenne ich auch in mir selbst das Gefühl, diesem Spuk endlich durch einen gezielten Militärschlag ein Ende bereiten zu wollen. Da geht man gemütlich am Freitagabend essen, Musik hören oder Fußball gucken, da kommen so ein paar Spackos, schießen um sich, sprengen sich selber und andere in die Luft und zerstören Menschenleben unwiederbringlich, sei es die Leben der Ermordeten, sei es die Leben der Angehörigen und teilweise ihre eigenen. Oh ja, ich kann Rachegelüste verstehen!

Aber irgendwie haben die meisten Menschen in Paris und auch hier in Deutschland es gelernt, gerade weil wir es ja tagtäglich in die Wohnzimmer bekommen, was Rachefeldzug um Rachefeldzug bewirken, wenn wir zum Beispiel nach Israel/Palästina schauen. Und wir Franzosen und Deutsche haben unsere eigene Geschichte der Erb- und Erzfeindschaft hinter uns und sie gut überwunden.
Die Politiker in Frankreich und Deutschland, in den USA und in Russland haben sicher die Verantwortung, angemessen zu reagieren, was bedeutet, dass man es nicht einfach so laufen lassen darf. Man muss militärisch und polizeilich gegen den Terrorismus vorgehen. Es ist ein Krieg, den die Terroristen erklärt haben. Aber es ist kein Krieg nur gegen Europa, sondern ein Krieg gegen alle Menschen, die sich dem IS nicht unterwerfen wollen. Paris ist für uns näher als Damaskus oder Istanbul. Eine in Köln hochgehende Bombe wäre mir als Siegburger auch näher als eine in Düsseldorf, aber auch Düsseldorfer sind Menschen und wollen leben, nach ihrer eigenen Façon.  Und so ist ein Terroranschlag in Syrien, Irak, Türkei oder Nigeria nicht weniger schlimm als einer in Frankreich oder hier in Deutschland. Menschen sind Menschen. Und es ist egal, ob die Opfer Christen sind oder Muslime, Atheisten oder Polytheisten. Und auch bei den Tätern ist es egal.

Die Grenze zwischen den gewalttätigen und den friedlichen Menschen führt nicht entlang der Grenzen zwischen den Religionen und Weltanschauungen. Wichtiger sind vielmehr Geisteshaltungen, wie die folgenden:
- Konservativismus
- Liberalismus
- Orthodoxie, im Sinne von Strenggläubigkeit
- Nichtreligiosität
- Fundamentalismus
- Traditionalismus
- Mystik
- Rationalismus
- Säkularismus
- Modernismus
- Nationalismus, Ethnozentrismus    

Überlegen Sie einmal, ob sich diese Geisteshaltungen  bestimmten Religionen oder Weltanschauungen zuordnen lassen.

Und wie sieht es mit folgenden Persönlichkeitsfaktoren aus?
- Neurotizismus
- Extraversion
- Offenheit für Erfahrungen
- Verträglichkeit
- Gewissenhaftigkeit

Das sind die so genannten „Big Five“, die Hauptpersönlichkeitsfaktoren in der Psychologie.
Können Sie hier eindeutige Zuordnungen vornehmen, wie „der typische Muslim ist …“ oder „das Christentum hat einen Hang zu …“? Ich meine, eher nein. Aber auch die Zuordnungen von Geisteshaltungen und Persönlichkeitsfaktoren einerseits und Gewaltbereitschaft und Friedfertigkeit anderseits ist so einfach nicht. Es ist alles noch viel komplexer und hängt von vielen Kontexten ab.

Neulich bekam ich einen schönen Spruch zugeschickt: Religion hat mit Terror nichts zu tun. Ein schöner Spruch! Aber stimmt er?

Wie sieht es mit der Wirtschaft aus, mit der Technik, mit der Politik? Haben diese Bestandteiler menschlicher Kultur etwas mit Terrorismus oder generell mit Gewalt zu tun?
Am Donnerstag, dem 12.11.2015, also einen Tag vor den Anschlägen in Paris, nahm ich in Bielefeld an einem christlich-islamischen Podiumsgespräch zum Thema „Glauben wir an denselben Gott?“ teil. Der auch daran teilnehmende Klaus von Stosch, Professor für römisch-katholische Theologie in Paderbotn und Vertreter der komparativen Theologie, erklärte auf die Frage einer muslimischen Zuhörerin sein Sündenverständnis. „Ursünde“ bedeute, dass wir alle in Kontexten lebten, die es unmöglich machten, sündenfrei zu leben. Ob wir Energie verbrauchten, Waren kaufen oder äßen und tränken, immer schadeten wir damit irgendwem sonst. Und als ich ihn fragte, ob er, der er gerade vorher noch versuchte, den Muslimen die christliche Trinitätstheologie als monotheistisch zu erklären, eine ähnliche Anerkennung, die er dem Islam zukommen lasse, auch poly-, pan-, atheistischen oder anderen Religionen und Weltanschauungen zukommen lassen würde oder ob es irgendwo eine Grenze gebe, erklärte er, wichtiger als die Gottesbilder sei der Umgang der Menschen untereinander. Andere Menschen als gleichwertig anerkennen, Unterdrückungs- und Ausbeutungssystemen widerstehen, sich nicht den Stärkeren anbiedern, sondern den Schwächeren beistehen, daran erkenne man, ob einer den richtigen Glauben habe oder nicht. Mein Bielefelder Kollege Leif Seibert fand in seiner Dissertation über die Glaubwürdigkeit von Religionen in Bosnien nach dem Krieg heraus, dass die Bosnier diese Glaubwürdigkeit der Religionen an ihrer Ethik festmachen, nachdem sie gelernt haben, dass die Religionsgemeinschaften sich im Krieg nationalistisch betätigt haben. Sie sind nun kriegsmüde und glauben Religionen, die die Waffen segnen, nicht mehr.[3]

Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit kann man doch in diesem Sinne als Ausdrücke eines richtigen Glaubens interpretieren. Aber, die müssen auch gelebt werden!

Wenn wir nun denken, Europa werde angegriffen, und wir müssten Europa und europäische Werte und Lebensart verteidigen, und das sei genug, dann leben wir nicht die Werte der französischen Revolution.  Mal abgesehen davon, dass schon die Revolutionäre damals sie verraten haben, haben auch die europäischen Mächte nach Napoleon, sogar die Franzosen selber, diese Werte mit Füßen getreten. Wenn man sie dahingehend interpretiert, dass sie nicht nur für Franzosen oder Europäer, sondern für alle Menschen gelten, dann verbieten sich Kolonialismus und Ausbeutungsmarktwirtschaft von selbst. Genau wie die Islamisten islamische Werte sehr einseitig interpretieren, so interpretieren französische und andere europäische Wirtschafter, Politiker, Militärs, aber auch Wissenschaftler und Kirchenleute die europäischen Werte, seien sie revolutionär oder christlich, sehr einseitig. Die Geschichte europäischer Hegemonie in Afrika und Asien ist eine einzige Geschichte verratener Werte, von Betrug und Hinterlist und von Gewalt. Der Islamismus ist doch gerade in dieser Atmosphäre des Gefühls der Demütigung und der Unterdrückung erwachsen, und zwar als Mischung von politischer Ideologie und religiösem Glauben oder als eine Einheit von beidem, din wa daula, Glaube und Staat. Wir Deutsche und Franzosen müssen es doch wissen, was Demütigung provoziert. Der Nationalismus beider Völker nährte sich im 19. und 20. Jahrhundert doch davon, von den je anderen besiegt zu sein, gedemütigt, bevormundet und ausgeraubt zu werden. Den Terrorismus von heute haben wir, also die oben erwähnten Europäer, mit herangezüchtet. Das hätte nicht sein müssen, hätten wir den Arabern und anderen Völkern das zugestanden, was wir uns für uns wünschten. Sicher ist es nicht alleine die Schuld der Europäer, sondern Gier nach Macht und Hemmungslosigkeit bei der Wahl der Mittel, die eigene Macht zu mehren, gibt es überall in der Menschheit. Und bei weitem nicht alle Menschen reagierten mit Gewalt auf Demütigung. Die allermeisten blieben geduldig und friedlich und hofften auf eine Besserung der Lebensumstände. Auch sind die konkreten Terroristen nicht alle identisch mit den Unterdrückten, sondern instrumentalisieren die Not ihrer Landsleute, um ihre eigene Gier nach Macht zu legitimieren. Aber die Grundstimmung ist da, und aus ihr erwachsen eben auch Hass, Gewaltbereitschaft und offener, brutaler Terrorismus.

Hat das mit Religion zu tun? Ja, genau wie es mit Wirtschaft, Technik und Politik zu tun hat. Hat Religion die Funktion der Kontingenzbewältigung, also die Bewältigung von Tatsachen, die man sich auch anders denken und wünschen kann, die aber sind wie sie sind, so kann eine Bewältigungsstrategie auch die Gewalt sein, mit der man hofft, das Problem zu lösen, wobei man diese Gewalt dann religiös legitimiert, indem man das Problem und auch die Lösung religiös bewertet. Natürlich kann man sagen, das sei eine falsche Religiosität und ein falscher Glaube. Aber ob richtig oder falsch, es ist Religiosität und Glaube, zumindest bei denen, die sogar ihr eigenes Leben opfern, um ein Ziel zu realisieren, das ihnen wichtiger erscheint als ihr eigenes diesseitiges Leben. Sicher gibt es aber auch Menschen, die den Glauben nur vortäuschen, um andere für ihre eigenen Machtinteressen zu missbrauchen.

Es ist aber nicht die Frage, ob der Islam die richtige oder falsche Religion sei, sondern, welche Art, den Islam zu interpretieren und zu leben, richtig oder falsch sei. Der oben erwähnten Betonung des Umgangs mit Mitmenschen als Maßstab für einen richtigen Glauben stimmte auch der muslimische Redner des Abends, Idris Nassery, zu. Terrorismus ist aus dieser Perspektive ganz klar der falsche Weg, den Islam oder irgendeine Religion oder Weltanschauung zu leben. Ausbeutung aber auch und Profitmacherei mit der Produktion und dem Handel mit Kriegswaffen ebenfalls.   

Es ist nicht zu spät! Noch immer besteht die Chance, alle Menschen menschenwürdig zu behandeln, als freie und uns gleiche Brüder und Schwestern. Das Friedenzeichen mit dem Eiffelturm, dem Symbol für den Fortschritt von der Weltausstellung von 1889, kann zum Leuchtturm des Friedens werden.

Freilich dürfen wir uns wehren gegen Gewalt und Terror. Freilich müssen Verantwortliche zur Verantwortung gezogen werden. Nur wir, das sind nicht nur Franzosen und andere Europäer, auch nicht nur die Bewohner der so genannten freien Welt, sondern wir, das sind wir alle, derzeit fast acht Milliarden Menschen, einer so wichtig wie der andere, und alle wollen wir glücklich sein und Leid vermeiden.

Wahnsinn kann man nicht mit Wahnsinn besiegen, sondern Wahn nur mit Sinn!



Noch’n Gedicht:

Wer mit Tao dem Menschenherrscher beisteht,
vergewaltigt nicht mit Waffen das Reich.
Sein Verfahren liebt zurückzukehren.
Wo Heerhaufen lagern, gehen Disteln
und Dornen auf.
Großer Kriegszüge Folge sind sicherlich Notjahre.
Der Gute siegt, und damit genug.
Er wagt nicht, zur Vergewaltigung zu greifen.
Er siegt und ist nicht stolz,
er siegt und triumphiert nicht,
er siegt und überhebt sich nicht,
er siegt, wenn er es nicht vermeiden kann,
und er siegt und vergewaltigt nicht.
„Was stark geworden ist, ist ergreist,
und das ist, was man Tao-los heißt;
Was Tao-los ist, das endet früh.“
                                                           
Tao Te King XXX[4]

Herzliche Grüße,
Ihr Michael A. Schmiedel
http://www.migrapolis-deutschland.de/?id=michaelaschmiedel

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Aktuelle Stellungnahme unter http://www.migrapolis-deutschland.de/Wir trauern. 16.11.2015.

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PS: Diesen Text schrieb ich hauptsächlich im Zug zwischen Bielefeld und Siegburg am 17. und 18.10.2015 und machte ihn am 19.11. fertig.





[1] Dhammapadam. Der Wahrheitspfad. Ein buddhistisches Denkmal. Übersetzt aus dem Pali von Karl Eugen Neumann. München (Pieper) 4. Aufl. 1984 (1. Aufl. 1918). – Das Dhammapadam ist ein Buch innerhalb des Dreikorbes (Tipitaka) oder Pali-Kanons, der normativ maßgeblichen, also heiligen Schrift des Theravada-Buddhismus.
[2] Da ich kein gemeinfreies Foto fand, verweise ich per Link auf diese Seite: Die Presse. Terroranschlag in Paris – Friedenszeichen gehen um die Welt:  http://diepresse.com/home/politik/4866730/Terroranschlag-in-Paris_Friedenszeichen-gehen-um-die-Welt(aufgerufen am 19.11.2015).
[3] Zu dieser Studie vgl. die Laudatio für Dr. Leif Seibert für seine Untersuchung „Religious Credibility under Fire” von Konrad Raiser:http://www.ifa.de/fileadmin/pdf/wika/raiser_laudatio2014.pdf(aufgerufen am 19.11.2015).
[4] Lao Tse. Tao Te King. Aus dem Chinesischen übersetzt von Victor von Strauss. Zürich (Manesse) o.J. Übersetzung von 1870. – Das Tao Te King bzw. Daode jing ist eine der beiden normativ maßgeblichen, also heiligen Schriften des Daoismus.  

Rückmeldungen zum Interrel. Rb. Nr. 2015-05

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Rückmeldungen zum Interreligiösen Rundbrief 2015-05:

Liebe Leser*innen des interrel. Rundbriefes,

schon im November kamen noch zwei Rückmeldungen zu dem Rundbrief 2015-05, die ich hier noch mit Zustimmung der Absender veröffentlichen möchte:

1. Von Gerd Schinkel:
Lieber Michael, liebe Mitlesende,
auch unabhängig von interreligiösen bewegen die Geschehnisse von Paris zu Gedanken...

Hier dazu mein Lied: Paris
mit Text
herzlich
Gerd Schinkel
 *
2. Von Manuel Stadler:
Werter Herr Schmiedel!

Der Beitrag liegt zwar schon ein paar Tage zurück, doch las ich ihn, als ich selbst gerade in Paris war und von einem Gespräch über den Zusammenhang zwischen den Terroranschlägen und der Laizität mit Maffesoli wieder in meinem Hotel angekommen war.
Trotz der Betonung der europäischen Einheit, der Forderung nach friedlichen Lösungsstrategien, erwähnen Sie diesen scheinbar sehr gewichtigen Unterschied in Ihrem "Interreligiösen Rundbrief" an keiner Stelle.
Es sein einmal dahingestellt, ob Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit Werte oder Ideale sind. Viel schwieriger ist jedoch die Frage, wie konkret das soziale Miteinander gestaltet werden kann, wie Integration möglich ist, ohne aus dem Staat ein Prokrustesbett zu machen.
Gewalt schockiert uns, raubt uns zuweilen die Sprache, doch scheint es mir nötig, auch etwas hinter diese allgemeine Sprachlosigkeit zu blicken.
Gibt es nicht spezifische Formen der Gewalt, die sich mitunter auch dadurch erklären lassen, wie bestimmte soziale Bedürfnisse verdrängt werden?
- oder ist Gewalt immer gleich Gewalt?

mit besten Grüßen

Manuel Stadler

Dazu noch eine Antwort von mir:

Lieber Herr Stadler,

die spezielle französische Laizität hatte ich tatsächlich nicht so gezielt im Blick, sondern mehr den französischen Kolonialismus auch nach dem I. und II. Weltkrieg, aber generell den europäischen Kolonialismus und die heutige Weltwirtschaftsordnung. Danke für den Hinweis. Was die Terrorgefahr in Frankreich angeht, ist der sicher auch zu bedenken, was andere Länder, so auch Deutschland, angeht, sicher weniger.

Und selbstverständlich spielt die Ausgrenzungserfahrung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund, nicht nur in Frankreich, eine große Rolle. Neuerdings kommt auch die Rolle der Männlichkeitserwartungen in den Blick.

Monokausalität ist – wie fast immer – der falsche Weg der Analyse und Diagnose.

Worauf es mir ankommt ist, die Schuld nicht alleine bei den Terroristen zu suchen, sondern auch bei uns bzw. bei den gesellschaftsgestaltenden Kräften in Wirtschaft, Politik usw..

Herzliche Grüße!
Michael A. Schmiedel



Interreligiöser Rundbrief Nr. 2016-01

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Interreligiöser Rundbrief für Bonn und Umgebung Nr. 2016-01 (29.02.2016)
„Ironischerweise also speist sich, besonders bei Männern, die Fremdenfeindlichkeit, die sich vor allem gegen Muslime richtet, genau aus den Motiven, die an der fremden Kultur stark abgelehnt werden. Xenophobe Männer bekämpfen ihren eigenen Schatten.“
Aus der Xenosophie- und Xenophobie-Studie der Universität Bielefeld.[1]

Liebe Leser*innen,

die meisten von Ihnen haben nicht mitbekommen, was in den letzten Wochen alles an Veranstaltungshinweisen und Links auf Presseartikel in meinem kleinen interreligiösen Verteiler weitergeleitet wurde und erst recht nicht, was mich sonst noch so alles erreichte. Und doch werden Sie alle berührt sein, von den Diskussionen, die derzeit durch unsere Gesellschaft ihre Bahnen ziehen, Diskussionen über den Flüchtlingsstrom, über Grenzen, über Kriege und Armut, über Religionen und Kulturen, über Gesinnungs- und Verantwortungsethik, über Identität und Fremdheit.

Es ist nicht einfach, sich einen Weg durch den Dschungel der Meinungen zu bahnen und in der aufgeheizten Stimmung einen kühlen Kopf, aber ein warmes Herz zu behalten. Sollen „wir“ nun „alle“ herein lassen? Kommen „die“ nicht aus einer „anderen Kultur“, die der „unseren“ so fremd und unkompatibel ist? Behandeln „die“ nicht „ihre“ Frauen schlecht und wollen nun auch noch „unsere“ haben? Diskriminieren „die“, die vor Diskriminierung und Verfolgung fliehen nicht ihrerseits Andersgläubige in den Flüchtlingsheimen? Und sind denn „die“ Sachsen jetzt total übergeschnappt und zünden Flüchtlingsheime an? Solche Fragen höre ich immer wieder im Fernsehen, im Radio, in persönlichen Gesprächen oder lese sie in Zeitungen, Internetseiten und E-Mails.

In Italien gibt es eine Stadt, die ihr Ortsschild mit einem Bekenntnis zum Christentum garniert hat, um alle die zu warnen, die sich dieser christlichen Stadtkultur nicht anpassen wollen, seien es muslimische Flüchtlinge, die „gottlose Presse“, die „linken Gutmenschen“ oder die „Gender-Ideologen“.[2]Da weiß man wo man dran ist. Dort herrscht Zucht und Ordnung. Es gibt Menschen, die wünschen sich solche Schilder an der EU-Außengrenze. Ob sie wohl Jesus herein lassen würden?

Politiker und Parteien mit klaren Linien, starken Worten und Taten, Führerpersönlichkeiten haben Konjunktur. Viele Menschen sehnen sich nach eindeutiger Orientierung, nach Sicherheit, nach unhinterfragter Identität. In manchen Staaten sind Regierungen an der Macht, die diese Sehnsucht zu erfüllen trachten: in Saudi-Arabien, in der Türkei, im Iran (wobei die aktuellen Wahlen wieder Hoffnung auf Besserung keimen lässt), in Russland und auch in der EU in Ungarn und Polen. In anderen Staaten steigen die Anhängerzahlen solcher Parteien: in den Niederlanden, in Schweden, in Frankreich, in Italien, in Österreich, in der Schweiz, in den USA und auch bei uns in Deutschland, nicht nur in Sachsen. Die oben zitierte Studie meiner Kolleg*innen in der Universität Bielefeld nennt das „Nicht-Ertragen-Können von Komplexität“.

Nun muss man aber auch zugeben, dass das Ertragen-Können von Komplexität und von Fremdheit eine Eigenschaft ist, die nicht vom Himmel fällt, sondern von vielen Bedingungen in der Biographie eines Menschen abhängt. Entsprechende Erfahrungen von Komplexität und Fremdheit als positiver Eindrücke sind wichtig. Wer intellektuell und/oder emotional überfordert ist oder wer hauptsächlich negative Erfahrungen gemacht hat, wird dem kaum was Positives abgewinnen können. Wer sich übervorteilt fühlt oder abgedrängt, wer den Eindruck hat, dass die, die in der Gesellschaft das Sagen haben, Wasser predigen und Wein trinken, also unehrlich zugunsten der eigenen Karriere und des eigenen Profits argumentieren, dass die Komplexität hergestellt wird, um zu verwirren und über die so Verwirrten Macht auszuüben, der wird anderswo sein Heil suchen, dort wo er sich verstanden fühlt, wo er durchzublicken meint, wo die Identitäten eindeutig sind und man Freund und Feind unterscheiden kann.

Es nützt also gar nichts mit „Nazis raus“-Parolen Pegidisten anzubrüllen oder Marokkaner schräg anzugucken, weil man meint, nie wissen zu können, was das denn für einer ist. Jede so geäußerte Aggression kommt wie ein Bumerang zurück. Verbrechen müssen vom Staat geahndet werden, und der darf dabei auf keinem Auge blind sein. „Besorgten Bürgern“ begegnet man am besten mit einer klaren Haltung, aber ohne Aggression, und Menschen „mit Migrationshintergrund“ freundlich und höflich mit nicht mehr Misstrauen, als man gegen Menschen ohne diesen Hintergrund auch aufbringt.

Es wird derzeit nach den berühmten „Wir-schaffen-das“-Worten der Bundeskanzlerin, die sicher nicht wenige Menschen ermuntert haben, in Deutschland Zuflucht zu suchen, so viel über Gesinnungsethik geschimpft bzw. über „Gutmenschentum“, wie die Vertretet eines – ja  was denn, Bösmenschentums? – es  nennen. Sicher muss auch Verantwortungsethik dazu kommen. Wer nicht schwimmen kann, soll nicht ins Wasser springen, um einen Ertrinkenden zu retten. Man darf nicht allein auf ehrenamtliche Rettungsschwimmer hoffen. Aber es kann auch keine Verantwortungsethik ohne Gesinnungsethik geben. Denn ohne Gesinnungsethik kommt man gar nicht auf die Idee, Ertrinkende retten zu wollen. Ohne eine ethische Gesinnung denkt jeder nur an sich selbst. Das wäre Neoliberalismus pur. Ist es das, was die Gesinnungsethikkritiker wollen?

Die Bielefelder Studie zeigt übrigens auch, dass xenophobe Männer oft ein hohes Maß an traditionellen Männlichkeitswerten aufweisen.[3]Darauf zielt das Zitat oben ab. Ähnlich argumentiert Barbara Vinken.[4]Da scheinen also uralte Triebe und Ängste in uns aufzusteigen, lange vorchristlich und voreuropäisch. Aber im Großen und Ganzen halten sich der Bielefelder Studie zufolge Fremdenfeindlichkeit (Xenophobie) und Fremdenfreundlichkeit (Xenophilie) noch die Waage. Dass die kippen kann, ist aber auch ein Teil der Wahrheit. Xenosophie, die Bereitschaft das Fremde als Quelle der Weisheit anzusehen, bedarf der Einübung. Das Interview mit Nina F, in der Bielefelder Studie zeigt sehr deutlich, wovon das alles abhängen kann.[5]Bemerkenswert finde ich das Zitat Nina F.s aus dem Interview, ganz unten auf der in Fußnote 5 verlinkten Seite, wenn Sie auf das hervorgehobene „explizit so formuliert“ klicken. Dort plädiert sie dafür „sich auf Sachen einzulassen. Und bereit zu sein, Dinge zu verstehen“[6].

Ich möchte auch dazu ermuntern, sich auf Komplexität einzulassen. Vollständig kann sie keiner erfassen, genau so wenig, wie Gott ins Antlitz zu schauen. Wir alle müssen Komplexität reduzieren, aber es macht einen Unterschied, ob man das, was man fassen kann, für alles hält und was darüber hinaus geht, nihiliert, oder ob man weiß und eingesteht, dass es hinter dem eigenen geistigen Horizont immer noch weiter geht. Bleiben Sie neugierig, lassen Sie sich nicht mit einfachen Antworten abspeisen, lassen Sie Zwischentöne zu! Zur Einübung der Zwischenton-Toleranz empfehle ich schon mal den Radiobeitrag „Keine Unterschiede machen“ von Martin Zeyn.[7]

Und doch möchte ich schließen mit einem ganz einfachen, unkomplizierten Ratschlag: Üben Sie sich einfach mal in Empathie, in Mitgefühl, in Nächstenliebe. Stellen Sie sich vor, sie müssten wegen Armut und/oder Krieg Ihre Heimat verlassen. Wie würden Sie in einem fremden Land gerne aufgenommen werden?   

Zum Schluss zwei Termine in eigener Sache:
„Vom Umgang mit dem Fremden“. Vortrag/Workshop. MIGRApolis-Haus der Vielfalt, Brüdergasse 16-18, 53111 Bonn, 2. Stock, Mi 23.3.2016, 18 Uhr. Eine Veranstaltung des BIM e.V.
Interreligiöser Gesprächskreis. „Was macht uns Angst vor Fremden?“ Bei Lioba von Lovenberg, Argelanderstraße 6, 53115 Bonn, Do 6.4.2916, 19.30 Uhr. Eine Veranstaltung von RfP Bonn/Köln.  

Und noch ein Zitat:
„Natürlich gibt es Menschen, die in ihrer Oberflächlichkeit und Gleichgültigkeit unüberbietbar sind. Und trotzdem hängt Menschsein mit der Möglichkeit reflexiver Auseinandersetzung  zusammen.“
                                                                                                                               Kurt Wuchterl[8]

Herzliche Grüße,
Ihr Michael A. Schmiedel
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PS: Diesen Text schrieb ich am 29.2.2016 zu Hause.


[1] CIRRuS (Center for the Interdisciplinary Research on Religion and Society). Xenosophie und Xenophobie. Erste Ergebnisse zu Xenophobie  und Xenophilie. http://www.uni-bielefeld.de/theologie/forschung/religionsforschung/forschung/streib/inter/umfrageergebnisse.html. Letzte Aktualisierung 19.2.2016. (geöffnet am 29.2.2016).
[2] Vgl. Deutschlandfunk. Tag für Tag. Thomas Migge Unsere Stadt soll christlich bleiben. 29.2.2016, http://www.deutschlandfunk.de/italien-unsere-stadt-soll-christlich-bleiben.886.de.html?dram:article_id=346802(geöffnet am 29.2.2016).
[3] Vgl. Fußnote 1.
[4] Vgl. Deutschlandradio. Tag für Tag. Die Verkehrung der Geschlechterhierarchie. Barbara Vinken im Gespräch mit Christiane Florin, 4.2.2016: http://www.deutschlandfunk.de/karneval-verkehrung-der-geschlechterhierarchie.886.de.html?dram:article_id=344520(geöffnet am 29.2.2016).  
[5] Vgl. CIRRuS (Center for the Interdisciplinary Research on Religion and Society). Xenosophie und Xenophobie. Wie eigene Fremdheit zur Offenheit führt: Die exemplarische Fallstudie von Nina F., letzte Aktualisierung: 8.2.2016, http://www.uni-bielefeld.de/theologie/forschung/religionsforschung/forschung/streib/inter/fallstudie.html, (geöffnet am 29.2.2016).
[6] Ebd.
[7] Vgl. Deutschlandfunkt. Essay und Diskurs. Martin Zeyn. Keine Unterschiede machen http://www.deutschlandfunk.de/philosophie-keine-unterschiede-machen.1184.de.html?dram:article_id=334406, 15.11.2015, (geöffnet am 29.2.2016).
[8] Kurt Wuchterl, Analyse und Kritik der religiösen Vernunft. Bern, Stuttgart 1989 (Haupt/UTB), S. 75.

Interreliigöser Rundbrief Nr. 2016-02

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Interreligiöser Rundbrief für Bonn und Umgebung Nr. 2016-02 (25.03.2016)
„[…] ich nenne das die bösen Zwillinge, von dem religiösen Extremismus auf
der einen Seite und dem Rechtsradikalismus auf der anderen Seite […]“[1]
Düzen Tekkai

Liebe Leser*innen,

im Vorfeld der jetzigen Karwoche, für Christen die heiligste Woche im Jahr, in der sie des Todes und dann der Auferstehung Jesu Christi gedenken, schickte mir ein aus Palästina stammender christlicher Freund diese Frage: „Die orthodoxe Kirche feiert erst am 1. Mai das größte Fest. Wie oft lassen wir Christus sterben und dann auferstehen. Was sagen wir den Muslimen, die Christi Tod verneinen?“ Jetzt, wo ich diese Frage nochmal lese, verstehe ich sie anders, als beim ersten Mal. Ich verstehe sie jetzt so, dass er fragt, wie man es Muslimen erklären soll, dass nicht alle Christen die Heilige Woche gleichzeitig feiern. Ich verstand sie aber zunächst anders und antwortete:

„Macht es Dir Sorgen, dass die Muslime Jesu Tod verneinen? Geht es Dir dabei einfach um das historische Faktum oder um die soteriologische Theologie?
Rein historisch können wir da ja nichts beweisen. Weder Jesu Kreuzigung und erst recht nicht seine Auferstehung sind durch außerchristliche Zeugen belegt.
Theologisch gibt es in jeder Religion Inhalte, die Gläubige anderer Religionen nicht glauben. Glaubst Du alles, was die islamische Theologie lehrt? Oder was sonst irgendeine Religion als für sie zentral wichtige Inhalte lehrt?
Das geht ja auch gar nicht. Vor allem nicht, wenn man die Inhalte wörtlich nimmt, denn dann ergäben sich zu viele Widersprüche zwischen den Religionen. Am ehesten ginge es, wenn man die Inhalte allegorisch oder metaphorisch nähme: Tod und Auferstehung Jesu als Symbol für das Heil. Einander widersprechende Symbole für eine Sache kann man glauben, solange man sie als Hinweise nimmt auf etwas anders, etwas, das man vielleicht direkt nicht aussprechen kann, weil es unaussprechbar ist, weil unsere Sprachen dafür nicht ausreichen. So gesehen können auch die Lehre von der Gottessohnschaft und Gottheit Jesu und die Aussage, dass Gott weder zeugte, noch gezeugt wurde, trotz der wörtlichen Widersprüchlichkeit beide geglaubt werden. Und sogar die der Existenz einer ewigen personalen Substanz des Menschen und seine Nichtexistenz. Oder gar die Existenz Gottes und seine Nichtexistenz.“

Ich lasse das jetzt so stehen, obwohl ich meine diesbezüglichen Gedanken gerne weiter mit Euch teilen würde. Ich wünschte, wir könnten im interreligiösen Dialog diese Themen vertiefen und verfeinern, ohne immer wieder in eine andere Art von Realität gerissen oder gebombt zu werden!

Der derzeitige Terrorkrieg im Namen einer Religion zwingt einen aber immer wieder dazu, dazu Stellung zu nehmen. Da bleibt dann wenig Platz für die subtilen Themen. Oder vielleicht doch, denn auch dieses Thema ist im Grund  subtil. Nach den Anschlägen in Brüssel am letzten Montag las ich im Internet Kommentare wie: „Wer meint, der Islam gehöre zu Deutschland, muss auch den Salafismus und Dschihadismus mit berücksichtigen.“ So gebe ich den Kommentar aus meiner Erinnerung wieder. Ich habe da viel drüber nachgedacht. Ich weiß nicht mehr, ob da jetzt „berücksichtigen“ stand oder ein anderes Wort, der Tenor schien mir aber zu sein, dass nach der Meinung dieses Kommentators Islam, Salafismus und Dschihadismus irgendwie untrennbar zusammen gehören. Drüber nachdenkend kommt mir ein Vergleich: Wie wäre es, wenn jemand sagen würde: „Wer sagt, Deutschland gehöre zur EU, der muss auch den Nationalsozialismus mit berücksichtigen“?

Vergleiche hinken ja immer, aber spielen wir das doch mal durch: Da haben wir eine Religion, den Islam, mit einer Religionsgemeinschaft, den Muslimen und eine Nation, die Deutschen, mit einem Staat, Deutschland. Der Islam hat derzeit unter Nichtmuslimen einen schlechten Ruf. Die Deutschen hatten auch einmal und haben zum Teil immer noch unter Nichtdeutschen einen schlechten Ruf. Die Muslime haben ihren schlechten Ruf den Dschihadisten zu verdanken, wir Deutschen unseren schlechten Ruf den Nationalsozialisten. Die Dschihadisten sind eine gewaltbereite Untergruppe der Islamisten, die Nazis eine gewaltbereite Untergruppe der deutschen Nationalisten. Für die Islamisten ist der Islam beziehungsweise ihr Islamverständnis das Maß aller Dinge, für die deutschen Nationalisten ist es Deutschland beziehungsweise ihr Verständnis von Deutschland. Den Islamismus gäbe es nicht ohne den Islam, den deutschen Nationalismus nicht ohne die deutsche Nation. Gleichwohl gibt es viele Muslime, die keine Islamisten und erst recht keine Dschihadisten sind, und es gibt viele Deutsche, die keine Nationalisten und erst recht keine Nazis sind. Die meisten Muslime sind keine Islamisten, die meisten Deutschen sind keine Nationalisten. Letzteres war einmal anders, als generell Nationalismus, auch in anderen Nationen, weit verbreitet war. Der Islamismus ist dagegen heute sehr aktuell, ähnlich anderen Religionismen in anderen Religionen. Die Dschhadisten haben mehrere Organisationen gegründet, wie Al Qaida, Boko Haram und den IS, die Nationalsozialisten ebenfalls, wie damals die NSDAP, heute die NPD und die NSU, die aber anscheinend zerschlagen ist. Der IS hat einen Staat gegründet oder zumindest den Anspruch, einen Staat zu bilden. Die NSDAP hatte sich eines schon bestehenden Staates bemächtigt. Die Terrorakte der Dschihadisten werden von Nichtmuslimen oft den Muslimen oder dem Islam generell zugeschoben, die Terrorakte der Nazis damals wurden
von Nichtdeutschen generell den Deutschen oder Deutschland zugeschoben. Muslime müssen sich oft für die Dschihadisten rechtfertigen, Deutsche oft für die Nazis.

Die Deutschen hatten damals die Nazis nicht selbst besiegt, sondern waren großenteils infiziert vom nationalistischen Geist. Die Nazis hatten es geschafft, ihre Interessen als die Interessen des Deutschen Volkes auszugeben, so dass eine ihnen gegenüber oppositionelle Haltung oder gar eine Verweigerung der Kooperation als Landesverrat angesehen wurde. Das wirkte sogar bis in die 50er und 60er hinein, als sich die Familien der Attentäter vom 20. Juli 1944 immer noch Vorwürfen des Verrats stellen mussten, statt dass sie als Angehörige von Helden geehrt wurden. Die Dschihadisten versuchen auch, ihre Interessen als die Interessen der Muslime generell oder gar Gottes auszugeben und treffen damit nicht nur auf verschlossene Ohren. Muslime, die sich in ihrer muslimischen Identität benachteiligt, diskriminiert, ausgegrenzt fühlen, sind ansprechbar für islamistische und dschihadistische Ideen, genau wie entsprechend sich in ihrer deutschen Identität benachteiligt, diskriminiert, ausgegrenzt fühlende Deutsche nach dem I. Weltkrieg und dem Versailler Vertrag. Islamisten pflegen und propagieren die Vorstellung, der Islam sei in Gefahr und Muslime seien Opfer, genau wie deutsche Nationalisten die Vorstellung pflegen und propagieren, Deutschland sei in Gefahr und die Deutschen seien Opfer. Konservative Muslime sind auch gewissermaßen ansprechbar für Ideen eines machtvollen und stolzen Islam, so wie konservative Deutsche für Ideen eines machtvollen und stolzen Deutschlands.

Die meisten Deutschen sind zwar weder Nationalisten, noch Nazis, aber wollen mit dem Thema auch nicht andauernd konfrontiert werden. Nach dem II. Weltkrieg wurde das Thema lange totgeschwiegen, bis die 68er Bewegung eine Aufarbeitung forderte. Die meisten Muslime sind zwar weder Islamisten, noch Dschihadisten, wollen mit dem Thema auch nicht andauernd konfrontiert werden. Mit ihrem Verständnis von Islam hat das nichts zu tun, und so meinen sie, sich damit auch nicht beschäftigen zu müssen. Deutsche Nationalisten heute betonen gerne, Deutschland bestehe nicht nur aus diesen „zwölf unglücklichen Jahren“. Das ist richtig, aber auch vor der nationalsozialistischen Machtergreifung, die zunächst ja demokratisch vonstatten ging, war Deutschland nicht nur das Land der Denker und Dichter. Das Kaiserreich wurde 1871 nach mehreren Kriegen Preußens und der deutschen Staaten gegen ihre Nachbarn, vor allem letztlich gegen Frankreich, gegründet. Die deutsche Nationalidee wurde vor allem durch die Auseinandersetzung mit Napoleon groß. Als Gründungsakt der deutschen Nation generell wird auch oft eine Schlacht genannt, nämlich die auf dem Lechfeld 955, als die vereinigten deutschen Fürsten unter der Führung Kaiser Ottos des Großen eine ungarische Invasion abwehrten. Im 16./17. Jahrhundert brannten in Deutschland mehr Scheiterhaufen im Rahmen der Hexenverfolgung als in irgendeinem anderen Land Europas. Nein, es sind nicht nur die „zwölf unglücklichen Jahre“, mit denen wir Deutsche und auseinanderzusetzen haben. Unsere Hypothek ist weitaus größer. Muslime müssen sich auseinandersetzen mit der historischen Tatsache, dass die ersten Muslime ihren Glauben und ihre Gemeinschaft mit Waffengewalt verteidigten, wobei der Verteidigungsfall nicht immer eindeutig ist. Und sie müssen sich damit auseinandersetzen, dass ihre Religion in den ersten hundert Jahren militärisch verbreitet wurde. Bei aller Gewalt, die auch zum Beispiel Christen und Buddhisten zu verantworten haben, so ist die Hypothek für Muslime insofern größer, als die Gewalt enger mit den Anfängen ihrer Religion zu tun hat und nicht nur mit späteren Fehlinterpretationen.

Deutsche und Muslime müssen sich also gleichermaßen der Herausforderung stellen, die je  eigene Geschichte aufzuarbeiten, nichts zu beschönigen, und die Einflüsse der religiösen beziehungsweise nationalen Ideen auf heutige Extremisten nicht verneinen, sondern ernst nehmen. Deutsche Muslime haben also doppelte Arbeit zu leisten, die sie in islamischer und deutscher Tradition gleichermaßen stehen.

Deutsche haben unter anderem die Antifa-Bewegung hervorgebracht, die zwar selbst oft sehr aggressiv und in anderer Hinsicht bisweilen politisch extrem, aber doch eben offensiv die nationalsozialistische oder faschistische Hypothek aufzuarbeiten begann. Sie bildet weniger die gesellschaftliche Mitte, aber strahlt auch auf diese aus. Ich persönlich erlebte in den 1970ern und 80ern eine Grundstimmung in meiner schulischen und durch die Medien geprägten Erziehung, die eine nichtnationalistische Grundhaltung als Normalität erscheinen ließen. Auch Muslime bringen anti-islamistische Bewegungen hervor, nur leider sind die in der Öffentlichkeit nicht so wahrnehmbar. Das anti-salafistische Projekt „Wegweiser“ des Landes NRW zum Beispiel wird von Muslimen durchgeführt[2], der Liberal-islamische Bund e.V. führt das anti-salafistische Projekt „Extrem out“ durch[3], und junge Muslime wenden sich in dem Projekt „Not in my name! Nicht in meinem Namen!“ gegen den IS-Terror[4]. Und in Bonn organisierte Saloua Mohammed schon drei Friedensmärsche.[5]

Auch das ist Islam! Wir Nichtmuslime sollten das endlich mal auseinanderhalten und nicht die Islamisten oder gar Dschihadisten in ihrem Anspruch, DEN Islam zu vertreten, auch noch unterstützen, indem wir ihre Gewaltakte und ihren Fanatismus als untrennbar zum Islam gehörend hinstellen! Genau wie wir nicht-nationalistischen Deutschen Unterstützung von außen brauchten, um den Nationalismus zu überwinden, so brauchen Muslime Unterstützung von außen, um den Islamismus zu überwinden.

Vielleicht gibt es noch viel mehr muslimische Projekte ähnlicher Art, aber sie sind noch nicht unüberhörbar. Sie sollten aber unüberhörbar werden! Die von Muslimen organisierten und durchgeführten anti-islamistischen Proteste, Projekte und Demonstrationen sollten genau so groß und laut werden, wie die von Deutschen organisierten und durchgeführten anti-nationalistischen Proteste, Projekte und Demonstrationen. Die zweitgrößte Religion der Welt sollte so etwas doch zustande bringen können!

Es ist nicht schlimm, deutsch zu sein, und es ist nicht schlimm, muslimisch zu sein oder auch beides. Es kommt darauf an, was man daraus macht. Die Dichter und Denker gibt es doch in beiden wie in vielen anderen Traditionen. Menschen, die Vorbilder sein können, an denen man sich orientieren, zu denen man aufschauen kann. Ob Rabia von Basra oder Hildegard von Bingen, ob Meister Eckhart oder Dschalal-ad-Din-ar-Rumi, ob Martin Luther oder Ibn Rushd, ob Hafez oder Walther von der Vogelweide, ob Nagib Mahfus oder Hermann Hesse, und jeder mag noch viele Namen hinzufügen, auch gerne von noch lebenden Personen wie den Sängerinnen Mahsa und Marjan Vahdat[6] oder der Gruppe Hüsch![7], um mal Musiker*innen zu nennen.

Und jetzt stelle man sich vor, wir würden alle gemeinsam demonstrieren, protestieren und Projekte durchführen, für Demokratie, für die Menschenrechte, für Frieden und Gerechtigkeit und gegen Extremismus jeder Art! Religionismus und Nationalismus sind nicht die richtigen Antworten auf die Gier neoliberaler Konzerne nach Macht und Geld. Das hieße nur, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. Lasst uns gemeinsame schweigen und schreien, still lauschen und rasseln und knallen, die Besinnlichkeit des Karfreitags und die Lautstärke des Purim-Festes, das gestern von Juden gefeiert wurde[8], miteinander verbinden, bis jeder Fanatismus überwunden ist und jeder Mensch in Freiheit und Würde und in Sicherheit leben kann! 

Wir alle, Menschen aller Religionen, Nationen und anderer Gemeinschaften bilden doch zusammen eine Menschheit. Und miteinander ist das Leben viel schöner als gegeneinander!


Und noch ein Zitat:
„Khorchide erwiderte, er habe ein Problem mit der Fragestellung an sich.
‚Also welcher Islam? Der Islam von Taliban, der Islam von IS, mein Islam? Islam von wem hat ein Gewaltproblem? Warum ich das sage? Weil der Islam nicht vom Himmel gefallen ist. Wir haben viele Positionen, viele theologische Schulen, auch was die Gotteslehre angeht, unterschiedlichste Positionen – und das ist alles im Laufe von 1400 Jahren entstanden.‘
Hamed Abdel-Samad kontert.
‚Wenn wir im Koran 206 Passagen haben, die eindeutig Gewalt verherrlichen, Krieg verherrlichen, dann kann kein Mensch ernsthaft behaupten, dass dieser Prophet ein friedlicher Prophet war.‘
Gegen eine solche wortwörtliche Interpretation wendet sich wiederum Khorchide; genau so würden auch Salafisten mit dem Koran umgehen. Es komme vielmehr darauf an, dass der Leser die Verse in ihrem historischen Kontext versteht.“[9]
Marie Wildermann, Mouhanad Khorchide und Hamed Abdel-Samad


Herzliche Grüße und – wer es feiert – ein frohes Osterfest!
Ihr/Euer Michael A. Schmiedel

(Diesen Rundbrief schrieb ich am Gründonnerstag, dem 24.3.2016 und am Karfreitag, dem 25.3.2016, zu Hause.)

[1]Islamisten und Rechtsextreme. "Deutschland ist bedroht". Düzen Tekkal im Gespräch mit Monika Dittrich. In: Tag für Tag. Aus Religion und Gesellschaft. Deutschlandradio, 17.3.2016, http://www.deutschlandfunk.de/islamisten-und-rechtsextreme-deutschland-ist-bedroht.886.de.html?dram:article_id=348505(geöffnet am 25.3.2016).
2 Vgl. Projekt "Wegweiser - gemeinsam gegen gewaltbereiten Salafismus", http://www.integration-in-bonn.de/projekte-vereine-initiativen/projekt-wegweiser.html(geöffnet am 25.3.2016).
3 Vgl. Projekte Extrem out, http://www.lib-ev.de/index.php?c=36(geöffnet am 25.3.2016).
4 Vgl. Jens Bauszus. #NotInMyName! Nicht in meinem Namen. Junge Muslime starten Kampagne gegen den IS-Terror. In: Focus online, http://www.focus.de/politik/videos/notinmyname-nicht-in-meinem-namen-junge-muslime-starten-kampagne-gegen-den-is-terror_id_4160793.html, und: LK - Jugend der Liga Kultur in Österreich. Nicht in meinem Namen. https://www.youtube.com/watch?v=j9Tl9T9A4EA( beides geöffnet am 25.3.2016).
5 Vgl. Christina Partuschke. Auch den Extremisten die Hände reichen! Berichte vom Friedensmarsch durch Bonn-Lannesdorf am 20.05.2012, sowie Bericht von Saloua Mohammed. In: MIGRApolis-Deutschland, http://www.migrapolis-deutschland.de/?id=224428./29.05.2012, und Michel A. Schmiedel. 2. Friedensmarsch am 23.06.2012, ebd. http://www.migrapolis-deutschland.de/?id=2259, 28.6./27.7.2012 (beide geöffnet am 25.3.2016). Den 3. Friedensmarsch habe ich dann selber mitgemacht, aber keinen Bericht geschrieben.
6 Vgl. Michael A. Schmiedel. Mahsa & Marjan Vahdat. Songs from a Persian Garden / Mahsa & Marjan Vahdat. I am Eve / Mahsa Vahdat & Mighty Sam McClain. Scent of Reunion. Zwei iranische Schwestern als kritische Botschafterinnen ihres Landes. CD-Dreierrezension. In: MIGRApolis-Deutschland, 14.4.2010, http://www.migrapolis-deutschland.de/index.php?id=1787, (geöffnet am 25.3.2016).
7 Vgl. Michael A. Schmiedel. 5 Minuten mit Hüsch! Unterwegs ins Thüringer Land. In: Folker. Magazin für Folk, Lied und Weltmusik, 02.16, S. 17, Online-Teaser: http://folker.de/Artikel.php?ausgabe=201602&art=FuenfMinuten2(geöffnet am 25.3.2016).
8Vgl. Jüdischer "Karneval". Warum Juden sich an Purim verkleiden - und einen trinken. Hannes Stein im Gespräch mit Andreas Main. In: Tag für Tag. Aus Religion und Gesellschaft. Deutschlandradio, 24.3.2016, http://www.deutschlandfunk.de/juedischer-karneval-warum-juden-sich-an-purim-verkleiden.886.de.html?dram:article_id=349206(geöffnet am 25.3.2016).
9Marie Wildermann. Abdel-Samad und Khorchide. "Zur Freiheit gehört, den Koran zu kritisieren". In: Tag für Tag. Aus Religion und Gesellschaft. Deutschlandfunk, 11.3.2016, http://www.deutschlandfunk.de/abdel-samad-und-khorchide-zur-freiheit-gehoert-den-koran-zu.886.de.html?dram:article_id=348014(geöffnet am 25.3.2016).



*
heutige Musikempfehlungen:
L'alba " sta mane "

ansonten:
Lisa Jên (9Bach) - Lliwiau
https://www.youtube.com/watch?v=vA6kqH-bTuE
Blowzabella recording in France 2013
https://www.youtube.com/watch?v=YhfrhJWR_AE
Irish Spring 2016 - Festival of Irish Folk Music TOUR – Preview
https://www.youtube.com/watch?v=zWZck_s1I4E

*
Dr. Michael A. Schmiedel










[1]Islamisten und Rechtsextreme. "Deutschland ist bedroht". Düzen Tekkal im Gespräch mit Monika Dittrich. In: Tag für Tag. Aus Religion und Gesellschaft. Deutschlandradio, 17.3.2016, http://www.deutschlandfunk.de/islamisten-und-rechtsextreme-deutschland-ist-bedroht.886.de.html?dram:article_id=348505(geöffnet am 25.3.2016).

[2] Vgl. Projekt "Wegweiser - gemeinsam gegen gewaltbereiten Salafismus", http://www.integration-in-bonn.de/projekte-vereine-initiativen/projekt-wegweiser.html(geöffnet am 25.3.2016
[3] Vgl. Projekte Extrem out, http://www.lib-ev.de/index.php?c=36(geöffnet am 25.3.2016).
[4] Vgl. Jens Bauszus. #NotInMyName! Nicht in meinem Namen. Junge Muslime starten Kampagne gegen den IS-Terror. In: Focus online, http://www.focus.de/politik/videos/notinmyname-nicht-in-meinem-namen-junge-muslime-starten-kampagne-gegen-den-is-terror_id_4160793.html, und: LK - Jugend der Liga Kultur in Österreich. Nicht in meinem Namen. https://www.youtube.com/watch?v=j9Tl9T9A4EA ( beides geöffnet am 25.3.2016).
[5] Vgl. Christina Partuschke. Auch den Extremisten die Hände reichen! Berichte vom Friedensmarsch durch Bonn-Lannesdorf am 20.05.2012, sowie Bericht von Saloua Mohammed. In: MIGRApolis-Deutschland, http://www.migrapolis-deutschland.de/?id=224428./29.05.2012, und Michel A. Schmiedel. 2. Friedensmarsch am 23.06.2012, ebd. http://www.migrapolis-deutschland.de/?id=2259, 28.6./27.7.2012 (beide geöffnet am 25.3.2016). Den 3. Friedensmarsch habe ich dann selber mitgemacht, aber keinen Bericht geschrieben.
[6] Vgl. Michael A. Schmiedel. Mahsa & Marjan Vahdat. Songs from a Persian Garden / Mahsa & Marjan Vahdat. I am Eve / Mahsa Vahdat & Mighty Sam McClain. Scent of Reunion. Zwei iranische Schwestern als kritische Botschafterinnen ihres Landes. CD-Dreierrezension. In: MIGRApolis-Deutschland, 14.4.2010, http://www.migrapolis-deutschland.de/index.php?id=1787, (geöffnet am 25.3.2016).
[7] Vgl. Michael A. Schmiedel. 5 Minuten mit Hüsch! Unterwegs ins Thüringer Land. In: Folker. Magazin für Folk, Lied und Weltmusik, 02.16, S. 17, Online-Teaser: http://folker.de/Artikel.php?ausgabe=201602&art=FuenfMinuten2(geöffnet am 25.3.2016).
[8]Vgl. Jüdischer "Karneval". Warum Juden sich an Purim verkleiden - und einen trinken. Hannes Stein im Gespräch mit Andreas Main. In: Tag für Tag. Aus Religion und Gesellschaft. Deutschlandradio, 24.3.2016, http://www.deutschlandfunk.de/juedischer-karneval-warum-juden-sich-an-purim-verkleiden.886.de.html?dram:article_id=349206(geöffnet am 25.3.2016).
[9]Marie Wildermann. Abdel-Samad und Khorchide. "Zur Freiheit gehört, den Koran zu kritisieren". In: Tag für Tag. Aus Religion und Gesellschaft. Deutschlandfunk, 11.3.2016, http://www.deutschlandfunk.de/abdel-samad-und-khorchide-zur-freiheit-gehoert-den-koran-zu.886.de.html?dram:article_id=348014(geöffnet am 25.3.2016).

Rückmeldungen zum interrel. Rb. Nr. 2016-02

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(22.04.2016)


Liebe Leser*innen,

auf den interreligiösen Rundbrief Nr. 2016-2 erhielt ich ein paar Rückmeldungen, die ich hier teilweise wiedergebe:

Marianne Horling von der United Religions Initiative leitete den Rundbrief in ihrem interreligiösen Verteiler weiter mit den Worten:

„[…]
Unser Freund Dr. Michael Schmiedel ist in seinem Interreligiösen Rundbrief auf die Terroranschläge eingegangen und hat sich differenziert mit den Beurteilungen und Verurteilungen ganzer Religions- und Volksgemeinschaften auseinandergesetzt. Er gibt hier wichtige Argumente an die Hand, um nicht in die Pauschalfalle zu geraten. Wer - neben dem Ostereiersuchen - noch etwas Zeit hat, kann sich ja mal mit den Argumenten befassen. […]“


Dr. Gerhard Müller-Chorus, Mitglied unserer Bonn/Kölner Religions for Peace-Gruppe, schrieb mir:

„[…]
vielen Dank für Ihre interessanten Überlegungen mit der Parallele Deutschland-Islam, ein wahrhaftes Ostergeschenk.
Von mir aus die Anregung, sich mit den Thesen des Islamforschers Olivier Roy (EUI Florenz) siehe FAZ  vom 26.März S.2 auseinanderzusetzen, der in den in Europa tätigen "Djihadisten" aus den Problemvorstädten weniger eine gewalttätige Spielart des Islamismus sondern Kinder des europäischen NIhilismus sieht.
Er führt eine interessante Kontroverse mit Kepel!! […]“

Danke für den Hinweis!


Helmut Bleifeld, ein Onkel meiner Frau und Gartenbauingenieur i.R., schrieb mir:

Danke, lieber Michael, für Deine Gedanken u. Fakten.
Der persönliche Glaube, wie auch immer er entstanden ist, ist nur so lange harmlos, so lange er ‚im stillen Kämmerlein‘ lebt.
Wenn man aber ‚überzeugter Gläubiger‘ ist und glaubt, diese Glaubensüberzeugung verbreiten zu müssen,  wird ‚Religion‘ zur Droge und/oder zur Waffe, die man schwer wieder unter Kontrolle bekommt. (Das ist ganz allgemein gemeint u. hat mit Deinem Rundbrief nichts zu tun).
Meine These von der evolutionären Fehlentwicklung MENSCH, wird durch die Exzesse vergangener und aktueller Tage nur noch mehr genährt.
Märtyrer hat es schon immer gegeben und wird es geben, solange der Glaube  nicht bei allen Menschen der gleiche ist.
Weltbewegendes haben Märtyrer nicht bewegt, aber die Erinnerung an sie am Leben gehalten.
Leider kann ich Deine Gedanken nicht ‚fachlich u. sachlich‘ kommentieren, da mir die entsprechenden Informationen fehlen.
‚Ich lebe, also bin ich‘……..
Du hast den Humanismus  -  ich den Humus.
Danke nochmals für den Rundbrief, dem ich leider nichts hinzufügen kann.“

Ich denke, es kommt darauf an, wie jemand seinen Glauben verbreiten will, mit physischer, psychischer oder struktureller Gewalt oder durch vorbildhaftes Leben und dadurch, das Interesse des Anderen zu wecken, bei vollem Respekt vor seiner Freiheit. 


Dr. Jan Reichow, Musikjournalist und inzwischen leider im Ruhestand befindlicher Radiomacher beim WDR,  schrieb mir generell zu den interreligiösen Rundbriefen:

„Übrigens bin ich ein dankbarer Leser Ihrer Rundbriefe zu Religionsfragen und finde - obwohl selbst eher glaubensfern - Ihre Erörterungen sehr überzeugend. Ich erinnere mich z.B. positiv an Ihre lang zurückliegende Aufklärung über den angeblich radikal friedfertigen Buddhismus.“


Des Weiteren kamen zwei Rückmeldungen von wissenschaftlicher, genauer evangelisch-theologischer und religionswissenschaftlicher, Seite, die eine Aussage des Rundbriefes kritisierten und zwar diese:
Rein historisch können wir da ja nichts beweisen. Weder Jesu Kreuzigung und erst recht nicht seine Auferstehung sind durch außerchristliche Zeugen belegt.

Die ausführlichste Kritik formulierte meine Bielefelder Kollegin, die ev. Kirchenhistorikerin Dr. Jutta Tloka, die ich hier nicht zur Gänze wiedergebe:

Das ist (teilweise) schlicht falsch. Selbstverständlich können wir ‚rein historisch‘ die Kreuzigung beweisen. Du wirst auch keinen Historiker finden, der die Existenz der Person Jesus von Nazareth und seine Hinrichtung in Form der Kreuzigung bezweifelt.
Leider ist das ein ausgesprochen populärer Satz, dass die fehlende Belegung durch außerchristliche Quellen ein Hinweis auf Unglaubwürdigkeit sei. Dies ignoriert das - auch durch Handschriftenfunde - belegte Alter der ‚christlichen Quellen‘ - wobei z.B. die Evangelisten, ja wohl selbst Paulus noch gar nicht wussten, dass sie ‚Christen‘ sind, die nun im Sinne einer religiösen Weltverschwörung ausgerechnet einen gekreuzigten Messias erfinden, den alle, sowohl Jude wie auch Pagane, aufgrund der religiösen wie gesellschaftlichen Ächtung der Kreuzigungsstrafe wohl als eher wenig messianisch empfinden mussten. Die mit Vatermord / Gottesfluch und (modern gesprochen) Terrorismus assoziierte Todesstrafe ist nun nicht die optimale Wahl, wenn man jemanden als Heiland verkaufen will.
Gerade dafür, nämlich die Lächerlichkeit, an einen Gekreuzigten zu glauben, haben wir außerchristliche Quellen: 2. Jh.: Lukian, Kelsos, das Spottkruzifix (ein Graffito) - indirekt auch Sueton, Marc Aurel, Tacitus (die berühmte Stelle) und Plinius d.J. Für einen zu diesem Zeitpunkt noch eher unbedeutenden ‚Barbaren‘ wie Jesus von Nazareth eine eher ungewöhnliche Häufung an das, was Du ‚nichtchristliche Quelle‘ bezeichnest.
Weiters ist der Anspruch, für die Existenz einer zudem antiken Person Quellen zu verlangen, die nicht - nennen wir es ‚ideologisch‘ - der gleichen Richtung angehören, methodisch problematisch, und es stellt sich die Frage, warum wir hier Kriterien an Jesus v. Nazareth anlegen, die wir an keine andere Person anlegen: Weil damit eine bestimmte Religion, die sich selbst über ein historisches Ereignis definiert, angreifbarer wird?
Historisches Arbeiten heißt jedoch sine ira et studio, Kriterien sind durch ihre methodische Überprüfbarkeit legitimiert und es gibt keinerlei Anlass, eine Person des ersten Jh. anders zu fassen als jede andere dieser Zeit.
Sokrates und Platon findest Du auch nur in platonischen Quellen - nimmst Du das Alter der diesbezüglichen Handschriften, dann haben diese beiden mit 100%iger Sicherheit nicht gelebt, wolltest Du an der Existenz Jesu von Nazareth auch nur den Hauch eines Zweifels anmelden. Das Gleiche gilt übrigens für Aristoteles, Epikur, Diogenes, Caesar, Cicero, Cato, noch mehr Porphyrios, Hypathia, aber selbst irgendeine außerchristliche Quelle (und im 5. Jh. dürfen wir das wirklich so nennen), die Augustin bezeugt, ist mir nicht bekannt.
Kurzum: Du wirst unter Anwendung der historischen Methoden keine antike Person finden, die besser bezeugt ist als Jesus von Nazareth, quantitativ und vor allem qualitativ.
Damit ist selbstverständlich nichts bewiesen, denn die Auferstehung können wir historisch nicht nur nicht beweisen, sondern, wie ich es meinen Studenten beibringe, sie hat historisch nicht stattgefunden. Diese Differenzierung mag den meisten egal sein, aber Du wirst einer Historikerin verzeihen, dass sie mir nicht egal ist. Mir geht dieser angeblich antiideologische Impetus gehörig auf die Nerven, den man (nicht von Dir, aber ansonsten bei jedem) sich gerade in dieser Zeit anhören muss. […]“
Es ging dann noch weiter zu anderen, verwandten Themen.

Die andere Kritik an dieser meiner Äußerung kam von Prof. em. Dr. Michael Pye, Religionswissenschaftler an der Uni Marburg, der schrieb:
„[…]ich finde folgende Formulierung etwas verfeinerungsbedürftig (auch wenn Kürze geboten ist:
> Rein historisch können wir da ja nichts beweisen. Weder Jesu
> Kreuzigung und erst recht nicht seine Auferstehung sind durch
> außerchristliche Zeugen belegt.
Die Kreuzigung und Auferstehung wurden und werden zwar dialektisch aufeinander bezogen, jedoch sind es zwei unterschiedliche Momente. Die Kreuzigung kann man als ‚historisch‘ einstufen, die Auferstehung aber nicht. Es macht keinen Sinn, etwa zu erwarten, dass die Auferstehung ‚rein historisch‘ belegt werden könnte, ob durch außerchristliche oder christliche Zeugen. Dagegen macht es durchaus Sinn, zu fragen, ob die Kreuzigung (Jesu) durch außerchristliche Zeugen so belegt ist. Die Antwort darauf ist nein. Andererseits sind die christlichen Zeugen (a) nicht nur sehr detailliert, (b) teils voneinander unabhängig und (c) plausibel in Bezug auf dem Hintergrund, so dass es völlig unverantwortlich wäre, sie ‚rein historisch‘ anzuzweifeln. Die rein historische Wahrscheinlichkeit (mehr gibt es eigentlich selten in älterer ‚Geschichte‘) dass Jesus tatsächlich gekreuzigt wurde ist einfach so hoch, dass sie nicht sinnvoll angezweifelt werde kann.
Im interreligiösen Dialog ist es daher auch nicht sinnvoll, diese Historizität anzuzweifeln.“

Mit beiden habe ich anschließend noch etwas diskutiert, woran sich in der religionswissenschaftlichen Yggdrasill-Liste auch noch weitere Personen beteiligten. Das gebe ich hier aber nicht wieder, da es zu viel würde.

Ja, so eine kleine Formulierung kann schon mal wissenschaftlich falsifiziert werden. Was ich aber eigentlich damit sagen wollte, ist, dass es vor allem keine römischen Zeugnisse in Form von Gerichtsurkunden oder andere Augenzeugenberichte gibt, die beweisen, dass Jesus von Nazareth am Kreuz starb und nicht statt seiner ein anderer, wie es die islamische Theologie lehrt, wenn auch viele gute Gründe dafür sprechen, dass es so war, so dass ich auch gar nicht daran zweifele. Es ging mir nicht darum, die Aussage um den Kreuzestod Jesu als unglaubwürdig hinzustellen, sondern nur darum, sich nicht darüber zu grämen, wenn Muslime was anderes glauben.

Ich werde jedenfalls künftig vorsichtiger sein mit mal eben schnell dahin geschriebenen Behauptungen, ohne zu erklären, was ich damit sagen will.

Wir diskutierten im Folgenden auch noch ein wenig darüber, wie man denn im interreligiösen Dialog damit umgehen soll, wenn religiöse Lehren und wissenschaftliche Theorien oder Erkenntnisse in Bezug auf geschichtliche Vorgänge einander widersprechen. Meiner Meinung nach, sollte man damit in etwa so umgehen, wie mit einander widersprechenden religiösen Lehren: Zunächst einfach mal stehen lassen, nicht versuchen, seine Sicht der Dinge, sei sie religiös oder wissenschaftlich, durchzudrücken. Wenn man aber genug Vertrauen zueinander hat und jeder vom anderen weiß, dass er es nicht böse meint, kann man auch intensiver diskutieren, ohne religiöse Gefühle zu verletzten oder den friedlichen Dialog zu gefährden. Vielleicht gelingt es auch, auf eine gemeinsame Metaebene zu gelangen.

Ich überlasse gerne Michael Pye das letzte Statement: „[…]ich denke dass je nach Dialogsituation durchaus auf Realitäten hingewiesen werden muss. Aber nicht alles muss gleich als Konfliktpunkt hervorgehoben werden. Besser als Widersprechen ist häufig Fragen stellen, usw... […]“


Herzliche Grüße,
Ihr/Euer Michael A. Schmiedel

 



Lisa Jên (9Bach) - Lliwiau
https://www.youtube.com/watch?v=vA6kqH-bTuE
Blowzabella recording in France 2013
https://www.youtube.com/watch?v=YhfrhJWR_AE
Irish Spring 2016 - Festival of Irish Folk Music TOUR – Preview

https://www.youtube.com/watch?v=zWZck_s1I4E

*
Dr. Michael A. Schmiedel





Rückmeldungen zum interrel. Rb. Nr. 2016-02 - 2

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Rückmeldungen zum interrel. Rb. Nr. 2016-02 - 2
(02.05.2016)

Liebe Leser*innen,
auf den interreligiösen Rundbrief Nr. 2016-2 erhielt ich noch ein paar Rückmeldungen beziehungsweise es waren auch Rückmeldungen auf die ersten Rückmeldungen:

Jochen Bertram, regelmäßiger Teilnehmer am interreligiösen Gesprächskreis von Religions for Peace Bonn/Köln in Bonn schrieb:
„[…] Freude machen mir - z.B. - Bahai-Andachten, die ich als christlicher Gast besuche, - die große religiöse (und überhaupt ...) Gastfreiheit dieser Religionsgemeinschaft empfinde ich dankbar . -
Natürlich sind mir meine christlichen Kontakte immer sehr wichtig, - als Grundton' des Lebens sozusagen. -
Du hast Recht, Differenzierung ist gerade heute sehr wichtig, aber auch oft schwierig: dass fanatische Kräfte das Christentum in Syrien praktisch auszurotten versuchen, ist tragisch (und das meine ich ganz persönlich, nicht als ‚distanzierter Beobachter des Zeitgeschehens‘ sozusagen),  aber das dürfen wir nicht einer bestimmten Religionsgemeinschaft ‚anlasten‘, sondern Menschen, die ihre Religion missbrauchen. […]“

Allerdings ist die Trennung zwischen Missbrauch im Sinne einer Instrumentalisierung und Fanatismus nicht immer leicht.

Margarete Rettkowski-Felten, Kölner Künstlerin und Mitglied des Scivias Instituts für Kunst und Spiritualität schrieb kurz und bündig:
„Herzlichen Dank! Diversity is best! Stehen lassen gefällt mir auch!“ 


Dr. Hossein Pur Khassalian, Mediziner i.R. und unermüdlicher Akteur im interreligiösen und interkulturellen, besonders islamisch-christlichen und iranisch-deutschen Dialog schrieb:
 „Lieber Michael und liebe muslimisch-christlichen Dialogfreunde.
Zur Diskussion Kreuzigung und Auferstehung möchte ich, wie folgt, stellungnehmen:
Ich kann den Schluss-Satz von Herrn Professor Pye voll unterstreichen, wie er schreibt:
‚Im interreligiösen Dialog ist es daher auch nicht sinnvoll, diese Historizität anzuzweifeln.‘
Denn der eigentliche Sinn des Dialogs besteht darin, Gemeinsamkeiten zu suchen, um friedlich miteinander leben zu können. Es steht keinem Moslem zu,  die Glaubensüberzeugung seines Dialogpartners anzuzweifeln. Es darf  aber auch nicht sein, dass die Christen die  Muslime als dialogunfähig stempeln, weil der Koran die Kreuzigung Jesu  nicht bestätigt. Ich wiederhole; nicht bestätigt. Denn nirgendswo im Koran wird  die Kreuzung Jesu ausdrücklich  verneint. Nach meinem Koran-Verständnis wird Jesus so hoch geehrt, dass man einfach nicht wissen möchte, in welcher unwürdigen Art und Weise er gestorben ist. Der Koran möchte den Eindruck vermitteln, dass  Jesus so gerettet worden ist, wie Abraham aus dem Feuer.

Und wie schön der Koran das glückliche Schicksal Jesu nach seinem Tode beschreibt. Gott habe ihn zu sich gerufen und ihm an seiner rechten  Seite Platz geboten.“
 


Ruth Kühn, Leiterin des christlich-muslimischen Gesprächskreises in Siegburg schrieb:
„[…]
die Rückmeldungen waren interessant zu lesen. Immer gut von Gleichgesinnten zu hören. In der Flüchtlingsarbeit muss man sich schon sehr gegen die unterschiedlichen Gruppierungen und Meinungen hiesiger Bürger, mit guten Argumenten, durchsetzen, um ein anderes Stimmungsbild entstehen zu lassen.  Die Angst vor dem Islam spielt für viele eine große Rolle. Leider ist das Interesse, sich wirklich gut zu informieren, in dieser Gruppe gering. Viele Vorurteile und Überschriftendenken, leider.

Ich habe die besten Erfahrungen mit unseren ‚Gästen‘ gemacht. Inzwischen sind ca.400  Gäste in unser Café International gekommen. Vielen konnten wir tüchtig helfen. Es hat sich eine innige Zuneigung entwickelt.

Nur im gemeinsamen Dialog, in den Begegnungen, können sich Freundschaften entwickeln. Ein gutes Mittel gegen Vorurteile und  Feindschaften.

Ich wünsche allen ein entspanntes Wochenende. […]“


Oder auch einen entspannten Wochenanfang!

Herzlichen Dank für diese Rückmeldungen, besonders auch für Hossein Pur Khassalians feine Unterscheidung zwischen einem Nichterwähnen und einer Verneinung! Was nicht erwähnt ist, braucht man nicht zu einer Verneinung zu machen.
Wichtig bleibt die persönliche Begegnung in einem vertrauensfördernden Setting. Im Naturschutz gibt es den Slogan: „Man schützt nur, was man liebt und man liebt nur, was man kennt.“ Auch wenn Kenntnis alleine keine Garantie mit sich bringt – sonst wären die Geheimdienste sehr friedensfördernde Organisationen – so ist die Chance auf Respekt doch größer, wenn man Menschen mit anderem Glauben und/oder anderer Herkunft als Mitmenschen wahrnimmt und nicht als Fremde, die in ihrem Fremdsein als bedrohlich wahrgenommen werden. Die Kenntnis, um die es hier geht, ist auch eine andere, als die der Geheimdienste, denn erstens geht es um eine gegenseitige Kenntnis und es geht um ein Sich-öffnen auf beiden Seiten, um ein Verstehen-wollen und ein Verstanden-werden-wollen gleichermaßen.
Herzliche Grüße,
Ihr/Euer Michael A. Schmiedel

*
heutige Musikempfehlungen:

Cassard - Wie schön blüht uns der Maien

https://www.youtube.com/watch?v=f49Dqye9RoU

Hüsch! - Songs Of Heimat

https://www.youtube.com/watch?v=DfZYoRaAO_s

Hot Griselda - The Empress' new clothes

https://www.youtube.com/watch?v=2JLlf2PvqJA

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Dr. Michael A. Schmiedel



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Lust auf mehr Musik?
Lisa Jên (9Bach) - Lliwiau
https://www.youtube.com/watch?v=vA6kqH-bTuE
Blowzabella - recording in France 2013
https://www.youtube.com/watch?v=YhfrhJWR_AE
Irish Spring 2016 - Festival of Irish Folk Music TOUR – Preview
https://www.youtube.com/watch?v=zWZck_s1I4E



Interreligiöser Rundbrief Nr. 2016-06

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Interreligiöser Rundbrief für Bonn und Umgebung Nr. 2016-03 (24.06.2016)
„Warne … die Geliebten des einen wahren Gottes davor, die Reden und Schriften der Menschen mit einem zu kritischen Auge zu betrachten. Sie sollen sich diesen Reden und Schriften lieber im Geiste der Aufgeschlossenheit und liebevollen Wohlgesonnenheit zuwenden.“
Bahá‘u‘lláh[1]

Liebe Leser*innen,
neulich sagte mir ein mir sehr nahe stehender Empfänger der interreligiösen Rundbriefe, diese lese er gar nicht gerne, denn sie seien ihm zu wissenschaftlich. Das erinnert mich daran, dass ich in den 1990ern mal einen Artikel für die Lotusblätter, schrieb, wie die Zeitschrift der Deutschen Buddhistischen Union, die heutige Buddhismus aktuell, damals hieß und dazu zwei ganz unterschiedliche Rückmeldungen erhielt: Einer Leserin war er zu schwer verständlich, während ein Leser ihn als schön leicht verständlich beurteilte. Die Leserin hatte nun weder mit Religionswissenschaft, noch mit Buddhismus zu tun, während der Leser ein Religionswissenschaftler war. Insofern ist es natürlich leicht verständlich, wie es zu diesen unterschiedlichen Urteilen kam. Ich finde es aber auch sehr schwer, so zu schreiben, dass der Text weder zu wissenschaftlich, noch zu unwissenschaftlich wird, so dass ihn Fachleute und Nichtfachleute, die ja zumeist Fachleute auf anderen Gebieten sind, verstehen können und gerne lesen. Besagter Leser, dem meine Texte zu wissenschaftlich sind, schickt mir manchmal detaillierte technische Erklärungen zum Beispiel zu Fotoapparaten, dass ich nur so mit den Ohren schlackere.

Nun möchte ich Euch/Sie (ich bleibe künftig mal beim „Euch“ und „Ihr“), liebe Leser*innen, um Hilfe bitten, indem Ihr mir mitteilt, was Euch an den interreligiösen Rundbriefen gefällt und was nicht. Ich werde es nie allen recht machen können, denen, die am liebsten klare religiöse Bekenntnisse und Positionen, denen, die am liebsten beschauliche, spannende oder lustige Geschichten, denen, die am liebsten Daten und Fakten, denen, die am liebsten tiefgründige philosophische Reflexionen, denen, die am liebsten eine große wissenschaftliche Distanz zu religiösen Wahrheitsaussagen und denen, die sonst irgendwie speziell gestaltete Texte lesen möchten, aber ich kann zumindest darüber nachdenken und sehen, was sich machen lässt. Ansonsten bitte ich um eine Lektüre „im Geiste der Aufgeschlossenheit und liebevollen Wohlgesonnenheit“, wie es im oben angeführten Zitat empfohlen wird.

Mein Ziel ist es schon, nicht oberflächlich daher zu plätschern, sondern gründliches Nachdenken zu praktizieren, mein Fach, die Religionswissenschaft, mit einzubeziehen, aber die Grenzen zu Theologie und Philosophie als Orientierungswissenschaften auch hier und da zu überschreiten und dabei das alles so verständlich wie möglich zu schreiben. Mein Opa würde sagen: „Ich rede, wie mir der Schnabel gewachsen ist“, wobei er das auf Vallerer Platt, also der Vallendarer Version des Moselfränkischen zu sagen pflegte. Eigentlich tue ich nichts anderes, wenn ich schreibe, auch wenn mein Schnabel leider zu wenig moselfränkisch und zu sehr standarddeutsch gewachsen ist, aber das Wichtigste ist, verständlich zu sein, sonst kann ich auch für die Schublade schreiben. Ich bitte also um konstruktiv-kritische Rückmeldungen.     

Jetzt möchte ich mal von zwei erfreulichen Dingen berichten, also nicht von Terrorismus, Radikalismus und so weiter. Ich bin ja ein großer Freund von Vernetzungen, und von zwei neuen Netzwerken in Bonn darf ich erzählen, nämlich zum einen vom Interreligiösen Friedensnetzwerk Bonn und Region (IFN) und vom NetzwerkBuddhismus in Bonn.

Das Interreligiösen Friedensnetzwerk Bonn und Region (IFN) hat sich nach einiger Vorgeschichte am 7.3.2016 konstituiert. Die Idee geht auf das Jahr 2013 zurück, als im Rahmen der Bonner Buchmesse Migration ein interreligiöses Podiumsgespräch stattfand und gleichzeitig der Arbeitskreis Muslime und Christen im Bonner Norden (AK MuChri) sein zehnjähriges Bestehen feierte und nicht wenige Interessierte sich entscheiden mussten, wo sie denn hingehen sollten oder sich zeitlich auf beides aufteilten. Ich dachte mir, es sei doch besser, wenn die interreligiösen Akteure in Bonn voneinander wüssten, wann wer was vorhat, so dass man einen neuen Termin nicht auf den Tag legt, an dem mit gleicher Zielgruppe schon etwas stattfindet. Im Grunde war die Idee schon etwas älter, ich hatte sie 2012 schon mal im Bonner Institut für Migrationsforschung und Interkulturelles Lernen (BIM) vorgestellt, aber nach diesem Erlebnis war die Dringlichkeit deutlich. Also versuchte ich, die interreligiös tätigen Organisationen davon zu überzeugen, sich miteinander zu vernetzen, damit Terminüberschneidungen künftig möglichst vermieden werden. Gedacht, getan – gewartet. Meine Idee stieß zunächst auf verhaltendes Gegeninteresse, ich wartete auf eine Einladung, sie vorstellen zu können, und so verging nochmal über ein Jahr, ohne dass sich was tat. Anfang 2015 kam David Clement auf mich zu. Er ist auch Religionswissenschaftler, sowie Pädagoge und Gründungsmitglied des ANQA – Vereins für Transkulturelle Bildung e.V. Er hatte unabhängig von mir eine ganz ähnliche Idee, dachte aber nicht nur an eine Vermeidung von Terminüberschneidungen, sondern durchaus an eine engere Zusammenarbeit der interreligiösen Akteure. Also trafen wir uns zusammen mit Hossein Pur-Khassalian, Aziz Fooladvand und Gregor Sattler, besprachen die Idee weiter und beschlossen, auf keine Einladung mehr zu warten, sondern unsererseits einzuladen. Und siehe da: Am 6.3.2016 kamen Vetreter*innen von 17 interreligiös tätigen Initiativen und Organisationen oder ließen sich zumindest entschuldigen, zeigten aber Interesse. Ein zuvor geschriebenes Leitbild wurde besprochen und in den anschließenden Wochen noch überarbeitet und per E-Mail diskutiert. Letztlich waren es doch noch nicht alle 17, aber immerhin 14, die das Leitbild unterzeichneten. Die anderen drei sind noch in internen Beratungen. David Clement hatte auch ein Content-Management-System aufgetan, mit dem wir ohne großen Aufwand eine Internetseite kreieren und ins Netz stellen konnten. Und so ist die Idee eines Netzwerkes der interreligiösen Akteure in Bonn und Umgebung endlich realisiert. Weitere Informationen entnehmt bitte der Website http://ifn-bonnregion.jimdo.com/und/oder kommt zu unserem Vorstellungstermin am 29.9.2016, um 19 Uhr im MIGRApolis-Haus der Vielfalt in Bonn.

Das NetzwerkBuddhismus in Bonn hat eine viel längere Vorgeschichte. Im Jahr 2000 stellte ich meine Magisterarbeit „Buddhismus in Bonn. Empirische Studie über buddhistisch orientierte Gemeinschaften in Bonn“ fertig und hatte dabei die Idee, einmal Vertreter*innen aller in der Studie erforschten 14 Gemeinschaften zu einem Treffen einzuladen. Das tat ich dann auch am 27.9.1999 im damaligen Shambhala-Zentrum. Es leisteten aber nur sieben Gruppen der Einladung folge, deren eine, die Zen-Gruppe, in der ich damals selber praktizierte, ich sogar selbst vertrat, weil sich sonst niemand dafür interessierte. Das Treffen war nett und interessant, aber weiteres ergab sich daraus nicht. Werner Wiegmann startete dann auch zweimal einen ähnlichen Versuch ohne bleibende Folgen. 2014 kam Barbelies Wiegmann, Zen-Praktizierende in der Gruppe ihres Mannes Werner Wiegmann, auf mich zu und fragte, ob ich noch Adressen von meiner Magisterarbeit hätte und sie dabei unterstützen würde, einmal Vertreter*innen aller buddhistischen Gruppen einzuladen, um diese miteinander bekannt zu machen und zu vernetzen. Da war ich sofort dabei, gab ihr die Adressen, wir recherchierten nach Adressen neu hinzu gekommener Gruppen, derweil es auch einige der damaligen nicht mehr gibt, und die Einladung ging raus. Und tatsächlich kamen Mitglieder von elf Gruppen am 9.4.2016 im MIGRApolis-Haus zusammen. Einige kannten einander, andere waren sich fremd, einige schienen einander sogar exotisch zu sein, was angesichts der Vielfalt der Traditionsanbindungen und Praktiken auch kein Wunder ist. Theravada-, Zen-, Nichiren- und Vajrayana-Buddhismus haben bisweilen nur den Bezug zum historischen Buddha Siddhartha Gautama gemeinsam, interpretieren diesen aber recht unterschiedlich. Aber die Chemie stimmte, man interessierte sich für einander und begeisterte sich für Barbelies Wiegmanns Idee, den Buddhismus gemeinsam in der Bundesstadt präsenter und bekannter zu machen. Verabredet wurde ein gemeinsamer Web-Auftritt, den ich inzwischen auf MIGRApolis realisiert habe (http://www.migrapolis-deutschland.de/index.php?id=2795&L=%25252523c2294), Filmabende in Kinos mit buddhistischen Filmen und 2017 eine gemeinsame Vesakh-Feier oder ein Sommerfest. Das Netzwerk hat übrigens noch gar keinen offiziell vereinbarten Namen, so dass Netzwerk Buddhismus in Bonn quasi ein Arbeitstitel ist, der sich auch noch ändern kann.

Manche Dinge brauchen eben einen längeren Vorlauf und einen langen Atem und demzufolge die richtige Mischung aus Zielstrebigkeit und Gleichmut, dann kann was aus ihnen werden!       

Diese beiden Geschichten sollen einmal zeigen, dass Religionen und religiöse oder spirituelle Menschen nicht nur Grund zu Sorge bieten, dass von Ihnen nicht nur Rechthaberei und Feindschaft ausgehen, wie die Nachrichten einen manchmal glauben lassen, sondern dass sie auch aufeinander zugehen, einander respektieren und gemeinsam auf friedlichem Wege Gesellschaft mitgestalten können. Was aus den beiden Netzwerken in Zukunft wird, wird sich zeigen. Es hängt von uns ab, den Mitgliedern der Netzwerke, aber auch allen anderen Menschen in unserer gemeinsamen Gesellschaft.
 

Vor dem Abschlusszitat habe ich noch eine Nachricht: Dr. Hıdır Çelik bekam am 22.6.2016 das Bundesverdienstkreuz am Bande überreicht. Mehr dazu hier: http://www.migrapolis-deutschland.de/index.php?id=2796  Ich gratuliere von Herzen!


Und noch ein Zitat:
„Religion, egal welcher Couleur, ist ein Auslaufmodell – da war sich das 20. Jahrhundert ganz sicher. Vor allem der Fortschritt der Naturwissenschaften mit der Evolutionsbiologie an vorderster Stelle hatte Gott nicht nur entthront und obsolet gemacht, sondern ließ Religion als geradezu unsinnig erscheinen. Nicht anders dachten die Sozialwissenschaften, die davon ausgingen, dass Religion sich gegenüber der Wissenschaft nicht würde behaupten können und daher über kurz oder lang bis zur Bedeutungslosigkeit verblassen würde. Die tatsächlichen Entwicklungen gerade in den letzten Jahrzehnten zeigte jedoch völlig überraschend, dass Religion eine Renaissance erlebte und zu einem entscheidenden sozialen und politischen Faktor wurde, und dies allen modernen Erkenntnisfortschritten und allen rationalen Argumenten der Religionskritik zum Trotz.“[2]

In diesem Sinne, lasst uns zukunfts- und transzendenzoffen bleiben!

Herzliche Grüße aus Siegburg am Johannistag 2016.
Euer Michael A. Schmiedel


[1] Bahá’u’lláh. Ährenlese 34:6, hier zitiert nach: Internationale Bahá’í-Gemeinde. Büro für Öffentlichkeitsarbeit. New York. Bahá’u’lláh. Eine Einführung. Hofheim-Langenhain (Bahá’í-Verlag), 4. Aufl. 1997, S. 43.
2 Ina Wunn. Patrick Urban Constantin Klein. Gott Gene Genesis. Die Biologie der Religionsentstehung. Berlin Heidelberg (Springer) 2015, S. V.

*
heutige Musikempfehlungen:
Nolwenn Leroy chante le Bro gozh ma zadoù au stade de France avant la finale Rennes-Guinguamp
https://www.youtube.com/watch?v=DzckoZ3v_gQ
Flook & Crosswind - 'Branohm / Trip To Herve's'
https://www.youtube.com/watch?v=2YGOZYN015Q
OUM TARAGALTE - (Soul Of Morocco) Official Video
https://www.youtube.com/watch?v=297klwcKKmI



*
Dr. Michael A. Schmiedel
Altere Texte (Auswahl):






**
Lust auf mehr Musik?
Lisa Jên (9Bach) - Lliwiau
https://www.youtube.com/watch?v=vA6kqH-bTuE
Blowzabella - recording in France 2013
https://www.youtube.com/watch?v=YhfrhJWR_AE
Irish Spring 2016 - Festival of Irish Folk Music TOUR – Preview
https://www.youtube.com/watch?v=zWZck_s1I4E






[1]Bahá’u’llah. Ährenlese 34:6, hier zitiert nach: Internationale Bahá’í-Gemeinde. Büro für Öffentlichkeitsarbeit. New York. Bahá’u’lláh. Eine Einführung. Hofheim-Langenhain (Bahá’í-Verlag), 4. Aufl. 1997, S. 43.
[2] Ina Wunn. Patrick Urban Constantin Klein. Gott Gene Genesis. Die Biologie der Religionsentstehung. Berlin Heidelberg (Springer) 2015, S. V.

Interreligiöser Rundbrief Nr. 2016-04

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Interreligiöser Rundbrief für Bonn und Umgebung Nr. 2016-04 (18.08.2016)


Man kann Gott nicht besser finden als dort, wo man ihn lässt.

Nimm Dich selber wahr, und wo Du Dich findest, da lass Dich.

Der Mensch lasse zuerst sich selbst, dann hat er alles gelassen.
                                                                                                                  Meister Eckhart[1]
Liebe Leserinnen und Leser,

ich habe jetzt eigentlich nur zwei Sachen für Euch, nämlich
1. eine öffentliche Erklärung des neuen Interreligiösen Friedensnetzwerkes für Bonn und Region (nebst ein paar Gedanken dazu von mir) und 
2. Rückmeldungen zu meiner Umfrage im letzten interrel. Rundbrief.

1.
Nicht mit uns! Wir halten zusammen!
Erklärung des IFN nach dem Attentat in Nizza am 14.07.2016
Nach dem abermaligen Anschlag in Frankreich, dessen ideologische Hintergründe noch nicht ganz klar sind, sagte Elma Theveßen, Sicherheitsexperte im ZDF, dass eines der Hauptziele des sogenannten IS, das er mit vielen individuellen Anschlägen verfolge, sei, einen Keil in die europäische Gesellschaft zu treiben, indem er die antiislamische Stimmung schüren und so Feindschaft zwischen Muslimen und Nichtmuslimen säe.

Nicht mit uns! Wir halten zusammen!
Menschen gleich welcher Religion und Herkunft bilden eine gemeinsame Gesellschaft. Wir halten zusammen, Muslime, Christen, Buddhisten, Atheisten und so weiter, gegen Terrorismus und Hass, gleich aus welcher Weltanschauung heraus, für den Frieden, für Gerechtigkeit, für die Liebe!
(17.07.2016)
http://ifn-bonnregion.jimdo.com/erkl%C3%A4rungen/

+

Ein paar Gedanken von mir:

Diese Erklärung ist jetzt auch schon wieder einen Monat alt, und seitdem gab es noch mehr Anschläge in verschiedenen Ländern Europas, Asiens und Afrikas. Man kann sie kaum noch zählen. Und für alle diese Anschläge gilt die obige Erklärung, also nicht nur für den in Nizza.

Ich merkte es auch neulich in einer Diskussion im Internet. Ein Diskussionsgegner meinte, Islam führe unausweichlich zum Islamismus. Und dieser sei natürlich unweigerlich terroristisch. Folglich seien dann also alle Muslime latente Terroristen. Keine Differenzierung, weder nach islamischen Richtungen, noch nach Menschen mit ihren je eigenen Interpretationen von Koran, Sunna und Islam überhaupt und nach ihren jeweiligen Lebensumständen. Ich habe dabei den Verdacht, dass solche Menschen das gar nicht böse meinen, sondern der Auffassung sind, mit ihrer Meinung die Realität abzubilden. Sie denken wahrscheinlich angstgesteuert, aus Angst vor den Terroristen eben, die zudem aus einer fremden Kultur stammen. Die gleiche Angst haben diese Menschen oft vor Flüchtlingen, denen sie unterstellen, den Terror oder Krankheiten oder einfach nur den Herrschaftsanspruch ihrer Lebensweise nach Europa zu bringen. Neulich kam im Fernsehen ein Film über das Pogrom gegen die Juden in Erfurt 1349.[2] Auch die Menschen, die damals dem Erfurter Judentum das Ende bereiteten waren angstgesteuert. Es war vor allem die Angst vor der Pest, verbunden mit wirtschaftlichen Unsicherheiten. Da hatte man in den Juden willkommene Sündenböcke. So weit sind wir in Europa noch nicht. Und es darf auch nicht so weit kommen. Die Terroristen, die sich auf den Islam berufen, wollen ja genau das: Pogrome gegen Muslime. Käme es so weit, würden sie sicher Zulauf bekommen von bislang unentschlossenen Muslimen, so wie in der Türkei Herr Erdoğan durch den Putschversuch Zulauf bekam. Extreme Aktionen fördern extreme Antworten.

Deshalb ist es so wichtig, zusammenzuhalten! Muslime sind genau so wenig latente Terroristen, wie Deutsche oder Türken latente Nationalisten sind. Jeder Mensch kann durch Ideologien geködert werden, und dies umso leichter, je mehr er darin den einzigen Ausweg aus einer unangenehmen oder auch untragbaren Situation sieht. Im Fernsehen schrie eine Erdoğan-Anhängerin: „Wir sind keine Kümmeltürken mehr!“[3] Ja, wer die Erfahrung macht, aufgrund seiner türkischen Identität immer angefeindet oder beleidigt zu werden, geht leicht einem Demagogen auf den Leim, der verspricht, die Ehre des Türkentums wieder herzustellen. So was hatten wir Deutsche auch schon mal. Und so geht es Muslimen, die ihrer religiösen Identität wegen beleidigt werden, und Christen und Deutschen und Juden und Polen und Russen oder wem auch immer. Menschen sind Menschen und brauchen Respekt! Wer keinen Respekt erfährt, wird leicht fanatisch und extremistisch und mitunter auch gewalttätig. Deswegen wollen solche extremen Parteien auch gerade dieses Gefühl in den Menschen hervorrufen: „Ihr werdet nicht respektiert! Ihr werdet beleidigt, bedroht und seid in Gefahr, verloren zu gehen. Wir ändern das! Aber wir brauchen Euch dazu!“ Die Feinde, ob nun die islamische, die jüdische, die christliche, die westliche oder sonst irgendeine Weltverschwörung, sind schnell ausgemacht und an den Pranger gestellt. Und einstige Kampfgefährten, die zu einer Konkurrenz geworden sind und sich nicht unterordnen wollen, werden gleichermaßen zu Feinden erklärt, heißen sie Trotzki, Röhm oder Gülen. Man verzeihe mir hinkende Vergleiche, aber es gibt eben nur Ähnlichkeiten, keine Wiederholungen in der Geschichte.  

Deswegen sagen wir im IFN: Nicht mit uns!

Wir lassen uns nicht auseinander dividieren und aufeinander hetzten! Wir sind eine Gesellschaft, die in sich pluralistisch ist und sein soll. Wir stehen zum Grundgesetz und zu den Menschenrechten. Wir respektieren einander in unseren Unterschieden und finden doch immer wieder genug Gemeinsamkeiten, um einander zu verstehen. Unser Demokratieverständnis umfasst auch den Schutz von Minderheiten. Die Schwachen brauchen die Starken, die Wenigen die Vielen. Ohne das funktioniert keine Demokratie, sondern wird zur Diktatur der Mehrheit.

Jetzt habe ich schon wieder mehr geschrieben als ich wollte, und es gibt noch den zweiten Teil:

2.
Rückmeldungen auf meine Frage vom letzten Rundbrief, ob der interrel. Rundbrief gefalle oder nicht und was zu verbessern wäre.
Es waren nicht viele, eigentlich nur vier, Rückmeldungen, und ich gebe sie hier mal der Reihe nach wieder:
2.1.
Ist ja super! Tolle Arbeit, ich wünsche mir Unterhaltung, Bildung, Informationen.
Eine Form von Magazin mit Tiefgang.
Vernetzung ist ein "artig Ding", ohne geht nichts mehr.
Grüsse
Marga

Rückfrage von mir:
Tja, und bietet der IRB das, was Du wünschst, liebe Marga?

Antwort:
Ich denke nach, bin gerade im Seminar. Bis jetzt war ich bestens informiert-bis bald
Marga

(Von Margarete Rettkowski-Felten, Künstlerin in Köln)

2.2.
Lieber Michael, -
dass es den Interreligiösen Rundbrief gibt, finde ich sehr gut. -
Da ich ja  meine mails  aus technischen Gründen auswärts empfange , kann ich selbst den Rundbrief  immer nur "überfliegen", bekomme so aber immer wieder mal  wertvolle Veranstaltungstipps. -
Herzlich
Jochen     -   die interkulturelle,  interkonfessionelle und interreligiöse Zusammenarbeit wird, meine ich, immer wichtiger, gerade weil die Tendenzen in der "Gegenrichtung " leider nicht schwächer werden, im Gegenteil, wie wir alle ständig und jetzt ganz aktuell mitbekommen...  –

(Jochen Bertram, regelmäßiger Teilnehmer beim interrel. Gesprächskreis in Bonn)

2.3.
well, i always enjoy reading your interreiligiöser rundbrief … but maybe that’s because, as a baha’i, i like to learn about other faiths in the same way i like, as a musician, to learn about other music and cultures.  your letter is a fine instrument in this direction and one of the few ecumenical offerings that actually takes my own religion seriously.

Ich übersetze mal:
Gut, ich genieße es immer, Deinen interreligiösen Rundbrief zu lesen. Aber vielleicht ist es auch, als ein Bahá’í liebe ich es über andere Glauben auf dieselbe Weise zu lernen wie als Musiker, etwas über andere Musik und Kulturen zu lernen. Dein Brief ist ein feines Instrument in dieser Richtung und eine der wenigen ökumenischen Angebote, die sogar meine eigene Religion ernst nehmen.

(Hugh Featherstone, englischer Musiker in Deutschland und Belgien, Sänger der Lokal Heroes in Bonn)

2.4.
Lieber Michael,
vielen Dank für den Rundbrief! Zu dessen Gestaltung kann ich leider nichts sagen, lese ich ihn doch zum ersten Mal!
Kleine Anmerkung zu dem Zitat "Ina Wunn. Patrick Urban Konstantin Klein...": Dazu bitte  lesen: "Der Appell des Dalai Lama an die Welt" (Ethik ist wichtiger als Religion), mit Franz Alt, 2015, Benevento, 4,99€.

Bis später mal, alles Gute und herzliche Grüße
Sabine v.K.
Bonn Buddhist Association
Bad Godesberg+++

(hat sich selbst vorgestellt)

Der Leser, der meine Frage ausgelöst hat, hat mir inzwischen mitgeteilt, dass der Rundbrief ihm eigentlich zu religiös sei oder zu wissenschaftlich oder einfach zu kompliziert und zu lang. Er ist aber, das muss ich zugeben, auch nur aufgrund seiner persönlichen Nähe zu mir im Verteiler, nicht aus eigenem Interesse. Ich habe aber eben den Anspruch, meine Ideen, An- und Einsichten weit zu streuen, da ich ja meine, da sie nicht ganz wertlos und unwichtig sind. Und immerhin sagte er nicht, ich solle ihn aus dem Verteiler nehmen!

Ich schaue mal, wie ich den Rundbrief noch anschaulicher gestalten kann, zum Beispiel mit einer Zusammenfassung am Anfang. Weiterhin habe ich ein offenes Ohr oder Auge für konstruktive Vorschläge.

Und noch ein Zitat:
Ein religiöser Mensch darf keine Ziele haben. Er muss absichtslos handeln.
Franz Meurer, röm.-kath. Priester in Köln[4]

Herzliche Grüße,
Ihr/Euer Michael A. Schmiedel

[1] 3 Zitate von Meister Eckhart. Die ersten beiden sind vor der Predigerkirche in Erfurt (www.predigerkirche.de) in den Boden gelassen, das dritte ist zitiert nach: Aphorismus, Zitate, Sprüche und Gedichte, www.aphorismen.de/zitat/16008(geöffnet am 14.8.2016).
[2] Vgl. den Film Die Pest, die Angst und der Schatz von Erfurt von Gabriele Rose im MDR http://www.mdr.de/tv/programm/sendung671714_date-2016-08-07_ipgctx-true_zc-b376bd7b.html(geöffnet am 14.8.2016).
[3] So gehört in einer Nachrichtensendung im ARD oder ZDF im Rahmen der Berichterstattung über die Pro-Erdoğan-Demonstration in Köln am 31.7.2016.
[4] So gehört am 12.8.2016 vormittags in einer WDR-5-Radiosendung über die Bedeutung des Christentums in unserer Gesellschaft: http://www.deutschlandfunk.de/christlicher-glaube-welche-rolle-spielt-religion-heute.1176.de.html?dram:article_id=362666 (geöffnet am 1.9.2016). Wer Franz Meurer nicht kennt, lese den Wikipedia-Artikel über ihn https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Meurer(geöffnet am 14.8.2016)


Interreligiöser Rundbrief Nr. 2017-01

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Interreligiöser Rundbrief für Bonn und Umgebung Nr. 2017-01 (05.11.2017)


"Die Religion also ist die Beziehung des Geistes zum absoluten Geist."

"So ist die Religion Wissen des göttlichen Geistes von sich durch Vermittlung des endlichen Geistes"[1]


Liebe Leserinnen und Leser,

ich habe doch tatsächlich seit August 2016 keinen interreligiösen Rundbrief mehr geschrieben, worüber sich auch niemand beschwert hat. Vielleicht hat es angesichts der Flut interreligiöser Weiterleitungen auch gar niemand gemerkt oder den Unterschied zwischen beiden Formen eh kaum einer verstanden. Andererseits sind die meisten Mitglieder des Verteilers des interreligiösen Rundbriefes nicht im Verteiler der interreligiösen Weiterleitungen.  Wie auch immer: Zumindest einen sollte ich im Jahre 2017 schreiben und rundschicken. Was Sie dann mit ihm anfangen, ist Ihre Wahl und Verantwortung.

Ich bin ja überhaupt kein Hegelianer, so dass es schon ungewöhnlich ist, dass ich Hegel zitiere. Die Zitate stammen indes aus einem Artikel von Edmund Weber, von dem ich einen Vortrag auf der Tagung der DVRW, also der Deutschen Vereinigung für Religionswissenschaft, im September dieses Jahres in Marburg hörte. Ich habe so meine Verstehensprobleme, sowohl mit Weber, als auch mit Hegel, aber ich hörte neulich in einer Aspekte-Sendung einen weisen Satz: Man solle sich mit Menschen beschäftigen, die anders denken als man selber. Dieser Satz stammt zwar aus einem anderen Zusammenhang, nämlich dem, sich mit „Rechten“ (also politisch Rechten, was ich in Anführungsstriche setzte, weil das Wort „recht“ ja auch eine positive Bedeutung hat, im Sinne von „richtig“, so dass ich Nationalist*innen, nicht gerne als „Rechte“ bezeichne, auch wenn sie im Parlament rechts sitzen) zusammenzusetzen, statt nur über sie zu reden oder gar zu schimpfen. Auf der im Augenblick, da ich dies hier schreibe, noch zukünftigen Bonner Buchmesse Migration werden wir Ali Can als Gast haben, der sich genau dieses zum Motto gemacht hat, indem er ein Sorgentelefon für „besorgte Bürger“ eingerichtet hat, so dass eben solche ihn anrufen und ihre Sorgen mit Ausländer*innen, Andersgläubigen oder sonst wie Fremden ausschütten können. Und er hört zu, wie Momo in Michael Endes gleichnamigem Buch[2], und so kommen sie vielleicht gemeinsam auf bessere Lösungen der Sorgen, als nur Wut und Hass auf die Anderen.[3] Ich hoffe sehr, von ihm einiges lernen zu können.

Nun möchte ich Weber und Hegel, als im Vergleich zu mir Andersdenkenden nicht mit den „Rechten“ oder den „besorgten Bürgern“ auf eine Stufe stellen, sondern nur sagen, dass ihre Denkwege andere sind als die meinen. Aber ich habe auch schonmal Sätze formuliert, die den oben zitierten von Hegel gar nicht so unähnlich sind: "Religion ist die Beziehung des Subjekts zum Absoluten ohne Umweg über das Objektive." Und: "Beten ist ein Selbstgespräch des Absoluten mit sich selbst über den Menschen." Damit lasse ich Sie jetzt mal alleine. Denken Sie darüber nach oder schieben Sie es von sich weg. Ganz wie sie mögen.

Auf besagter DVRW-Tagung kam die Frage auf, warum denn Martin Luther auf der ganzen Tagung gar nicht vorgekommen sei, wo wir uns doch im Lutherjahr befänden. Nun, er kam vor, aber nur unter anderem in irgendeinem der vielen Vorträge. Aber er war nicht Hauptthema und musste es auch gar nicht sein. Die Medien waren schon so voller Luther, dass man schon gar nicht mehr fernsehen oder radiohören konnte, ohne mit Luther konfrontiert zu werden. Irgendwo hieß es dann, 2009 sei ein Calvinjahr gewesen. Haben Sie davon etwas mitbekommen? Ich nicht! Vor zwei Jahren ist es 600 Jahre her, dass Jan Hus in Konstanz verbrannt wurde. Gab es da ein Husjahr? Ich weiß es nicht. Aber klar: Martin Luther ist von den vielen Reformator*innen des westeuropäischen Christentums der erste, der nachhaltigen Erfolg hatte. Wobei dieser nicht sofort 1517 einsetzte, sondern vielleicht gar erst 1962-65, als die Römisch-Katholische Kirche im II. Vatikanischen Konzil nicht weniges von dem, was er gefordert hatte, auch in ihrer Kirche umsetzte, so das Priestertum aller Gläubigen und die Gottesdienste in den Landessprachen. Den Ablasshandel, den Luther in seinen 95 Thesen ja vor allem anprangerte, hat die r.-k. Kirche schon auf dem Konzil von Trient (1545-1563) abgeschafft.

Was aber für so ein Lutherjahr viel wichtiger zu sein scheint, als die wissenschaftliche Frage, wie wichtig genau das Jahr 1517 und der berühmte Thesenanschlag oder seine schon vor dem Anschlag an die Wittenberger Kirchentür erfolge Veröffentlichung in der kirchlichen Korrespondenz war, ist wohl eine psychologische Tatsache: Wir Menschen brauchen Mythen. Und zu solchen Mythen gehören symbolträchtige Handlungen und Ereignisse und die Menschen, die sie vollbrachten. Manche Kritiker*innen sprechen so auch vom Gründungsmythos der Evangelischen Kirche. Luther ist für evangelische Christ*innen, vor allem natürlich für Lutheraner*innen, so wichtig wir Jesus Christus für Christ*innen generell. Das ist eine sehr emotionale Angelegenheit. Und Emotionen sitzen bei uns Menschen viel tiefer als der Intellekt. Luther selber mag noch so sehr ein rationaler Mensch gewesen sein, so war auch sein Denken nicht frei von Mythen. Objekte seines Mythos waren Jesus Christus, die Bibel, der Glaube und die Gnade Gottes. Diese vier waren die Fundamente seiner Theologie. Und er wiederum wurde zum Fundament lutherisch-evangelischer Identität. Das ist nichts Schlimmes, aber man sollte sich dessen bewusst sein, wenn man den Anspruch hat, rational denken zu wollen.

Neulich waren meine Frau und ich eingeladen zu einem anderen Jubiläum: 200 Jahre Geburt von Baha’u’llah, dem Gründer der Bahá’í-Religion. 1817 wurde er also geboren. Bei Manfred Hutter kann man mehr über sein Leben und die Geschichte der von ihm gegründeten Religion lesen.[4] Genau wie bei Luther war sie keineswegs nur glorreich und friedlich. Von den unfriedlichen, ja geradezu fanatischen Seiten der Vor- und Frühgeschichte dieser nachislamischen Religionsgemeinschaft hörte man auf der Geburtstagsfeier freilich nichts, denn es war ja eine Feier und kein wissenschaftliches Symposion. Was man aber beiden Religionen zugutehalten muss: Heute geben sie sich mehrheitlich friedlich, ökumene- und dialogbereit, die Entwicklungen der Gesellschaft teils wohlwollend, teils skeptisch begleitend, als kritisch-integrative Bestandteile der modernen Gesellschaft. Was wäre der interreligiöse Dialog, gerade auch in Bonn, ohne die Beiträge dieser beiden Gemeinschaften?

Somit gratuliere ich also beiden Gemeinschaften zu ihren Jubiläen!

Ebenso gratuliere ich dem liberalen Judentum, dass heuer auch zweihundert Jahre alt wurde. In seiner Folge entstand auch das orthodoxe Judentum als Antithese zum liberalen. Und jetzt fällt es mir schwer, zu gratulieren, denn ich selber bin ein so liberal denkender Gläubiger, dass mir die Existenz derartig rückwärtsgewandter Religionsgemeinschaften, die es in allen Religionen, sofern sie groß genug sind, gibt, irgendwie ein Dorn im Auge ist. Sie geben sich eben nicht oder kaum ökumene- und dialogbereit, sondern exklusivistisch, ausgrenzend, rechthaberisch usw. Na ja, rechthaberisch sind Liberale oft auch. Und rückwärtsgewandt sind Reformer oder Reformatoren ja eigentlich auch, denn sie wollen nichts Neues in die Welt setzen, sondern re(!)formieren, also etwas, das verloren ging, wiederformatieren. Das war mehr oder weniger bei jeder Religionsgründung so: Man wollte das verwässerte, verweltlichte, verkommene oder sonst sie sich in die falsche Richtung entwickelte und verfälschte Original wiederherstellen - modern ausgedrückt: den Resetknopf drücken. Ob Kung Tse, Siddhartha der Buddha, Jesus der Christus oder Muhammad der Rasul’u’llah, alle wollten zurück zu den Quellen, ad fontes, oder zu den Wurzeln, ad radicibus (hoffentlich stimmt mein Latein!). Alle waren sie also radikal oder fundamental. Heute, seit der Aufklärung in Fortschrittsdimensionen denkend, betonen wir lieber das jeweils Neue, das die Religionsgründer brachten. Die Bahá’í, selber schon Kinder des 19. Jahrhunderts, haben den Fortschrittsglauben auch schon mehr verinnerlicht als die älteren Religionen, indem sie betonen, dass Gott in jedem Zeitalter eine neue, not-wendige Offenbarung bringe.

Was natürlich immer bleibt, ist die Tatsache, dass jede Neugründung einer Religionsgemeinschaft, die zumeist nicht als solche geplant war, eine Spaltung einer bestehenden Religionsgemeinschaft mit sich bringt oder zumindest im Konkurrenzkampf mit den bestehenden Gemeinschaften diesen Mitglieder abgeworben werden. Aus der Perspektive der bestehenden älteren Gemeinschaften ist das natürlich bedauerlich, aber aus einer Außenperspektive kann das sogar begrüßt werden, sofern man Vielfalt als positiv bewertet. Im September 2017 bekam ich in Köln den INTR°A-Projektpreis für die Komplementarität der Religionen überreicht.[5] Mit dem Projektgeld werden wir vom IFN her ein Projekt zur Förderung interreligiöser Kompetenz finanzieren. Wenn man von Komplementarität spricht, also von der gegenseitigen Ergänzung, denkt man eine Vielfalt an Angeboten als Voraussetzung. Gäbe es nur eine Religion für alle, könnte niemand diese Religion ergänzen. Etwas platt wäre es aber zu sagen, diese Religion sei für dieses, und jene für jenes zuständig. So einfach ist das nicht. Es hängt eher mit der Passung zwischen dem einzelnen Menschen und einem religiösen Angebot zusammen, ähnlich wie es eine Passung zwischen Patient und Therapie geben muss. Nicht alles ist für jeden gleichermaßen gut. Und bisweilen muss man auch eine Therapie oder eben Religion individuell zusammenstellen, damit sie passt.

Wenn Sie sich mehr oder weniger neutral über die Vielfalt der Religionen in Deutschland informieren wollen, empfehle ich das Handbuch der Religionen in Deutschland, zu dessen Team ich neuerdings auch gehöre. Es ist kein einzelnes Buch, sondern eine Reihe von Aktenordnern, in die mehrmals jährlich neu veröffentlichte Ergänzungslieferungen eingeheftet werden. Es erscheint in der Mediengruppe Oberfranken. Schauen Sie mal in deren Website.[6]

Wenn ich nun aber Probleme mit den rückwärtsgewandten, restaurativen oder konservativen Religionsgemeinschaften habe, sollte ich überdenken, was ihre Anhänger*innen denn antreibt und was sie an den Liberalen oder Progressiven denn stört, was sie an ihnen kritisieren. Und schon bin ich wieder bei dem Vorschlag, mich mit Andersdenkenden zusammensetzen zu sollen. Ja, das ist meines Erachtens die Hauptherausforderung des interreligiösen Dialoges heute: Nicht nur der Dialog zwischen Menschen verschiedener Religionszugehörigkeit, sondern der zwischen Menschen mit verschiedenen Geisteshaltungen, zwischen denen, die ihrer Zeit voraus sind und denen, denen die Entwicklungen viel zu schnell oder gar gänzlich in die falsche Richtung gehen. Das ist heute eine globale Herausforderung.

Zudem hatten wir dieses Jahr bei den GEBETen der Religionen in Bonn seit einigen Jahren erstmals wieder eine jüdische Beteiligung, und das, obwohl die unierte jüdische Synagogengemeinde Bonns viele orthodoxe Mitglieder hat. Die Grenzen zwischen den Vertreter*innen verschiedener Geisteshaltungen, sollte man also auch nicht ideologisch zementieren. Letztlich bleibt bei mir der Wunsch, die Religionsgemeinschaften, die zugleich zumindest im Ansatz verschiedene Geisteshaltungen vertreten, mögen ins Gespräch miteinander kommen und das über dem Trennenden Verbindende suchen. So waren meine Frau und ich neulich am Reformationstag auf einem Fest, zu dem die r.-k. Steyler Missionare in Sankt Augustin den ev. Kirchenkreis an Sieg und Rhein eingeladen hatten. Dort erlebten wir eine Harmonie sondergleichen, ein Zusammengehörigkeitsgefühl der Christ*innen, die, wie der christliche Theologe Georg Schwikart es nennt, in zwei Zimmern desselben Hauses leben. Das wünsche ich mir auch interreligiös und auch mit Menschen, die keiner Religionsgemeinschaft angehören.

Soll ich noch über den Klimawandel schreiben? Ja, aber nur als Zitat einer Bandarole, die ich neulich bei einer jungen, barfußgehenden Frau im Siegburger Bahnhof las, die wohl auf dem Weg zu der Jugend-Klimakonferenz war, und mit diesem Zitat möchte ich schließen:

No climate change! Habit change!
Kein Klimawandel! Verhaltensänderung!

Herzliche Grüße!
Ihr/Euer Michael A. Schmiedel

Interreligiöser Rundbrief für Bonn und Umgebung:
http://interreligioeser-rundbrief.blogspot.de/
Interreligiöses Friedensnetzwerk für Bonn und Region:
https://ifn-bonnregion.jimdo.com/







    





[1] Georg Friedrich Wilhelm Hegel. Vorlesung über die Philosophie der Religion I, Frankfurt a.M. 1969, S. 197 und 198, hier zitiert nach: Edmund Weber. G.W.F. Hegels und Rudolf Ottos Kritik des Empirismus in der Religionswissenschaft. In: Wolfgang Gantke, Vladislav Serikov (Hrsg.). 100 Jahre „Das Heilige“. Beiträge zu Rudolf Ottos Grundlagenwerk = Wilhelm Ludwig Federlin, Edmund Weber und Vladislav Serikov. THEION Studien zur Religionskultur/Studies in Religious Culture, Bd. 32, Frankfurt a.M. (Peter Lang) 2017.
[2] Vgl. Michael Ende. Momo. Die seltsame Geschichte von den Zeit-Dieben und von dem Kind, das den Menschen die gestohlene Zeit zurückbrachte. Stuttgart (Thienemann) 1973.
[3] Vgl. die Ankündigung auf der IFN-Website:  https://ifn-bonnregion.jimdo.com/(geöffnet am 05.11.2017).
[4] Vgl. Manfred Hutter. Handbuch Bahá‘í. Geschichte, Theologie, Gesellschaftsbezug. Stuttgart  (Kohlhammer) 2009.
[5] Vgl. dazu den Bericht auf der INTR°A-Website: https://web-intra.blogspot.de/2017/09/intra-projektpreis-verleihung-2017-in.html(geöffnet am 05.11.2017).
[6] Vgl. die Anzeigen für das Handbuch der Religionen auf der Website der Mediengruppe Oberfranken: https://bildung.mgo-fachverlage.de/religionswissenschaft.html(Papierversion), https://www.edidact.de/navigation_top_/Handbuch_Religionen/index.htm(Online-Version) und den Wikipedia-Artikelüber das Handbuch der Religionen: https://de.wikipedia.org/wiki/Handbuch_der_Religionen(alle Seiten geöffnet am 05.11.2017).

Interreligiöser Rundbrief Nr. 2018-01

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Interreligiöser Rundbrief für Bonn und Umgebung Nr. 2018-01 (27.03.2018)
Der Karfreitag ist nicht das Dunkel, das dem Licht unbedingt weichen muß. Es ist der Tag, an  dem der Mensch gewordene Gott, die Person gewordene Liebe umgebracht wird von den Menschen, die zu Göttern werden wollen.
              Dietrich Bonhoeffer (http://www.dietrich-bonhoeffer.net/zitat/id/96/; geöffnet am 27.3.2018)

Liebe Leserinnen und Leser,
meine interreligiösen Rundbriefe werden immer seltener, aber jetzt kam mir eben beim Hören eines Radiobeitrages ein spontanes Mitteilungs- und Nachfragebedürfnis:

Wie stehen Sie eigentlich zu den kirchlichen Feiertagen, insbesondere jetzt in der Karwoche zu Karfreitagsruhe? Wie stehen Sie dazu, dass am Karfreitag – im Detail nach Bundesland verschieden, aber generell dennoch – Tanz- und Musikveranstaltungen und auch Kino, Theater usw. der Würde des Tages angemessen sein müssen, auch wenn die, die solche Veranstaltungen veranstalten oder besuchen, gar keine Christ*innen sind, also den Karfreitag gar nicht begehen?

Es gibt weniger von nichtchristlich-religiöser als von nichtreligiös-humanistischer Seite her immer wieder Vorstöße, man solle diese staatliche Bevorzugung des Christentums und kirchlicher Feiertage abschaffen. Sie seien diskriminierend gegenüber Menschen, die damit nichts anzufangen wissen. Manche gehen noch weiter und wollen die Sonntage als allgemeine arbeitsfreie Tage abschaffen. Sie sagen, Christ*innen könnten sie ja feiern, wie sie es wollen, aber anderen dürfe man sie nicht aufzwingen.

Ich selber bin übers Jahr ein seltener Kirchgänger. Jetzt in der Karwoche ist das anders, da besuche ich von Palmsonntag bis zur Osternacht vier Gottesdienste, hauptsächlich römisch-katholisch, aber manchmal auch evangelisch. Ich denke anlässlich der Erinnerung an die Leiden Jesu an all die Leiden, die Menschen immer noch einander antun. Und an die Hoffnung, dass es eine Erlösung geben möge, sei es eine Auferstehung oder ein Verwehen, denn ich bin ja christlich und buddhistisch sehr beeinflusst in meiner Religiosität. Gestern noch bei einem IFN[1]-Treffen meinte Pfarrer Dirk Voos von der EMFA[2]– die wir gestern als 16. IFN-Mitglied aufnahmen – Religionen thematisierten ja allgemeine menschliche Themen, so dass auch Karfreitag nicht nur für Christ*innen ein möglicher Besinnungstag sein könnte. Nun brauche ich persönlich für meine Besinnlichkeit aber keinen allgemein ruhigen Feiertag, wenn auch die leereren Straßen an diesem Tag und die größere Stille in der Stadt meiner Besinnlichkeit guttun. Mich stört es aber nicht, wenn andere Menschen Musik machen oder hören oder ins Kino gehen oder so.

Anders ist es mit den Sonntagen. Ich bin ganz entschieden dagegen, Sonntage abzuschaffen! Zwar gehe ich kaum einmal sonntags in die Kirche, aber ich genieße die Ruhe auf den Straßen, denn wir wohnen an einer Hauptverkehrsstraße, und sonntags ist da spürbar weniger Verkehr, wenn nicht eine Großveranstaltung Autofahrer in die Stadt lockt. Und ich finde es vollkommen richtig, dass die meisten Geschäfte sonntags zu sind. Sollte die Ladenschlusszeiten „liberalisiert“ werden, würden doch nur die großen Geschäfte genug Personal haben, ihre Läden sonntags zu öffnen, während kleinere Betriebe sich das nicht leisten könnten. Es wäre also eine Wettbewerbsverzerrung. Denn jeder Mensch braucht Ruhe und Erholung, und ein gemeinsamer Ruhetag in der Woche tut Familien und auch Betrieben gut. Wir sind schon flexibilisiert oder liberalisiert genug im Dienste der Geschäftemacherei. Diese so genannte Liberalisierung würde letztlich Freiheit kosten.

Wir sind eine demokratische Gesellschaft, so dass letztlich das Volk mündiger Bürger entscheiden sollte. Das ist für mich klar. Aber einer Entscheidung gehen Argumente voraus, und ich argumentiere für eine Beibehaltung des Sonntags und eine lockerere Haltung, was den Karfreitag angeht. Oder anders gesagt: Geschäfte sollten zubleiben, Unterhaltungsveranstaltungen sollten am Karfreitag erlaubt sein, wo sie nicht eine Mehrheit von Menschen stören, die den Tag lieber ruhig und besinnlich begehen wollen. 

Und was meinen Sie? Leser*innenbriefe sind willkommen und werden gerne veröffentlicht.


Sonntag ist’s
ein heil’ger Frieden liegt auf Erden weit so weit,
Sonntag ist’s in allen Herzen,
Sonntag ist’s für alle Schmerzen
heil’ger Sonntag weit und breit.
                                    aus einem Kalenderblatt vor vielen Jahren

Herzliche Grüße!
Ihr/Euer Michael A. Schmiedel

Interreligiöser Rundbrief für Bonn und Umgebung:
https://interreligioeser-rundbrief.blogspot.de/
Interreligiöses Friedensnetzwerk für Bonn und Region:
https://ifn-bonnregion.jimdo.com/


[1]Interreligiöses Friedensnetzwerk Bonn und Region
[2]Evangelische Migrations- und Flüchtlingsarbeit

Interreligiöser Rundbrief Nr. 2018-01 – Leserbriefe

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Interreligiöser Rundbrief für Bonn und Umgebung Nr. 2018-01 – Leserbriefe (30.03.2018)
Liebe Leserinnen und Leser,

im Interreligiösen Rundbrief Nr. 2018-01 vom 27.03.2018 fragte ich nach Ihren Meinungen zur Karfreitags- und zur Sonntagsruhe beziehungsweise zu den Forderungen nach deren Abschaffung.
Dazu kamen nun einige Leser*innenbriefe, die ich Ihnen in der Reihenfolge der Ankunft bei mir hier zu lesen gebe:


1.
Lieber Michael,

ohne Deinen Interreligiösen Rundbrief im Anhang schon gelesen zu haben, erst einmal danke für Deine hinführenden Gedanken und ein kleiner Beitrag zur Karfreitagsfrage:

Was würden die Jungen Liberalen und die Grüne Jugend machen, wenn sie nicht jedes Jahr am Karfreitag mit Flashmob und anderen Aktionen, die eine extrem heilsame Wirkung für das postpubertäre Selbstbewußtsein und die kollektive Identität der peer group haben müssen, gegen das Karfreitagsruhegebot anrennen könnten? Es gibt ja nun fast keine Tabus mehr und sich im öffentlichen Bereich manifestierende Phänomene nicht-christlicher Religionen zu kritisieren, passt entweder nicht in das politisch korrekte Selbstkonzept genannter Gruppen oder ist mit gewissen Risiken verbunden. Wie schön ist es da doch, seine gesamte aufgestaute Aggression einmal im Jahr gegen das spießig-biedere, konservative und an allem Übel dieser Welt schuldige Christentum entladen zu können - und das ganz ohne die Gefahr, irgendwelche größeren Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Eine eventuelle Verwarnung durch das Ordnungsamt trägt man dann gern ein Leben lang als Heldenorden auf der Brust, begleitet mit den Worten, wie mutig und progressiv man doch gewesen sei als junger Mensch. Aus diesem Grund also muss die Karfreitagsruhe aufrechterhalten werden.

Herzliche Grüße
Jochen“

(von Jochen R. aus Bonn)


2.
„Lieber Michael,

bitte achte auf die Formulierung:

Niemand will ernsthaft Sonntage abschaffen, es gibt nur Leute die dann gerne shoppen oder arbeiten wollen, aber die Woche selbst will niemand auf 6 Tage verkürzen;-)
Ich bin da zwar für Lockerungen, aber nicht für eine Aufhebung, also eher ein Kompromisskandidat. Struktureller Vorteil des Ruhetags ist etwa, dass dann kaum LKWs fahren, so dass wichtige Fahrten dann besser gehen etc.

Aber vor allem: Schön wieder einen Rundbrief bekommen zu haben!

Herzliche Grüße
Gerald“

(von Gerald Volker Grimm aus Bonn)


3.
Ja, vielen Dank. Interessante Gedanken!

Wir gründen aktuell einen Bundesverband für „Pantheisten“. Manche wollen eine ganz neue Religion schaffen.

Andere wollen es wie eine Art „Freimaurer-Loge“ parallel zu den Kirchen laufen lassen, wo man weiterhin aktiv sein kann.

Auch ich finde es eigentlich albern, dass Nicht-Kirchenmitglieder an einem Sonntag frei haben, ebenso Weihnachten und Ostern oder die anderen Feiertage wie Pfingsten etc. Auch dass sie Weihnachtsgeld erhalten usw.

Es ist zwar Tradition, aber wenn eine Mehrheit gar nicht mehr Mitglied in der Kirche ist, warum sollten sie dann von diesen Feiertagen profitieren?

Das leuchtet mir nicht ein…

Aber: Es ist auch schwierig hier einen Weg zu finden.

Natürlich sollte ein Tag der Ruhe und der Familie gelten.

Wovor ich keine Angst hätte, ist die Konkurrenz kleiner Geschäfte zu großen Geschäften.
Wenn es sich sonntags nicht lohnt, würden die Großen auch zulassen.
Schon jetzt haben die kleinen Läden nur bis 18.30 Uhr geöffnet und die großen Geschäfte bis 20 oder 22 Uhr.

Ist das ein Problem?

Ein Problem für die Innenstädte ist der 24-Stunden-Einkauf per Knopfdruck, von der Couch aus, bei Amazon und Ebay.
Das hat allen Geschäften sehr geschadet!

Mit bestem Gruß
Martin Sagel“

(von Martin Sagel aus Kerpen)


4.
Hallo Michael,

danke für Deine Betrachtungen bzgl. des christlichen Glaubens und seiner ‚Konsequenzen‘.
Der christliche Glaube verliert immer mehr an Bedeutung. Leere Kirchen, Kirchenaustritte, Leben unter Missachtung der 10 Gebote, zunehmender Materialismus, Egoismus und Nihilismus.

Welche Erfolge kann in diesen Zeiten die christliche Kirche vorweisen?

Es wird allerhöchste Zeit für eine erneute Reformation. Sind aber die verschiedenen christlichen Glaubensrichtungen uniformierbar?                                                                                                                                                             
Wenn sich die christliche Kirche nicht reformiert, wird sie nur noch ein Zufluchtsort für ‚Unverbesserliche‘ sein.

Christliche Feiertage für überzeugte Christen.

Sonntage für alle.

Liebe Grüße – auch an Petra
Helmut“

(von Helmut Bleifeld aus Neurath)



5.
Lieber Herr Schmiedel !

Wie schön, daß man wieder etwas von Ihnen lesen kann. Man darf dem Agenda setting der Boulevardpresse nicht kommentarlos nachgeben. Noch sind die A-Religiösen nicht in der Mehrheit. Ich kann meinen muslimischen Freunden kaum erklären, wie sich die Gesellschaft entwickelt. Die aggressive Negation der Transzendenz spielt den Radikalen in die Hände, so daß unsere Praevention ins Leere zu laufen droht. Ein französischer Philosoph schrieb neulich, daß das lateinische Europa eine transzendentale Leere entstehen ließ, die von niemandem gefüllt wird?

Dennoch, ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie ein gesegnetes Ostern!

Herzilch!

Wolf Ahmed Aries“

(von Wolf Ahmed Aries aus Hannover)


6.
„Lieber Michael,

auch als Humanist kann ich Deinen Ausführungen nur zustimmen!

Bis auf bald
Marianne

Und - einen ruhigen, besinnlichen Karfreitag und frohe Ostern
wünsche ich Dir und Deinen Lieben ganz herzlich!“

(von Marianne Horling aus Bonn)

7.
„Hi, lieber Michael,

[…]

Inhaltlich dazu: Mein Vater hat uns auch immer verboten, am Karfreitag Musik zu hören, für ihn war das vor allem eine tolle Gelegenheit, sich über Leute zu empören. Er war eh immer sehr unausgeglichen. Mit Religion hatte das meiner Ansicht nach nix zu tun. Religion wird ständig instrumentalisiert. Ich habe daraus für mich die Konsequenz gezogen, nirgendwo Mitglied sein zu wollen, auch weil mir die Regeln der Gemeinschaften vielfach nicht einleuchten (manche Regeln schon, viele nicht). 

Was den Sonntag angeht: Viele arbeiten dann eh schon. Selbst in der Türkei, die wahrlich nicht christlich ist, ist der Sonntag ein besonderer Tag, auch wenn viele Geschäfte offen sind. Es kommt immer sehr drauf an, wie der einzelne damit umgeht. Nur weil sonntags die Läden aufhaben, muss ich übrigens noch lange nicht einkaufen. Wenn ich den ganzen Tag in Schlabberhosen vor der Glotze hängen will, hält mich keiner ab. 

[…]

Es winkt die Ines, […]“

(von Ines Körver aus Berlin)


Soweit die Leserbriefe.

Den Radiobeitrag, „Stille Feiertage. ‚Tanzt den Karfreitag!“ im Deutschlandfunk vom 27.03.2018, der mich zu diesem Rundbrief angeregt hat, können Sie hier lesen und hören:
http://www.deutschlandfunk.de/stille-feiertage-tanzt-den-karfreitag.886.de.html?dram:article_id=413999 (aufgerufen am 30.09.2018).

Nun wünsche ich allen, die es feiern, einen besinnlichen Karfreitag und dann ein frohes Osterfest und/oder ein gesegnetes Pessachfest!
Und wer es nicht feiert habe einfach ein schönes Wochenende!

Herzliche Grüße!
Ihr/Euer Michael A. Schmiedel

Interreligiöser Rundbrief für Bonn und Umgebung
http://interreligioeser-rundbrief.blogspot.de/
Interreligiöses Friedennetzwerk Bonn und Region
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Und wer Lust auf meinen Irland-Reise-2017-Bericht hat:
http://www.rockmode.de/index.php?topic=6577.msg102148#msg102148 (Etappe von Ennis nach Doolin; die anderen Etappen davor; Fortsetzungen kommen noch)






Interreligiöser Rundbrief Nr. 2018-01 – noch mehr Leserbriefe (07.04.2018)

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Interreligiöser Rundbrief für Bonn und Umgebung Nr. 2018-01 – noch mehr Leserbriefe (07.04.2018)

Liebe Leserinnen und Leser,

im Interreligiösen Rundbrief Nr. 2018-01 vom 27.03.2018 fragte ich nach Ihren Meinungen zur Karfreitags- und zur Sonntagsruhe beziehungsweise zu den Forderungen nach deren Abschaffung.

Dazu habe ich am 30.3. sieben Leser*innenbriefe weiter rund geschickt, und nun kommen noch zwei dazu:

8.
Lieber Michael - Dank dir für deine unentwegte Mühe.
Durch deinen Brief bleibt eine alte Verbindung bestehen.
Das ist sehr schön.
Das Thema ist interessant, auch sind es die Kommentare.
Die allgültige christliche Ordnung ist verloren gegangen.
Zurückholen geht nicht, weil sie allgemein heute unbekannt.
Das Vaterunser bedarf eines Denkmalschutzes, damit es
irgendwo bleibt und nicht endgültig verloren geht.
Den Menschen, in deren Bewusstsein es nicht mehr enthalten ist,
sollte man mit Verständnis begegnen, damit sie sich verstanden fühlen.
Nur so erleben sie die Liebe, die im Christentum zuhause ist.
Das rettet!
Dir und Petra frohe Ostern - Hildegard und Klaus“

(von Hildegard und Klaus Wansleben aus Berlin)

9.
„Lieber Herr Schmiedel,

über Ihren Brief habe ich mich sehr gefreut und danke dem IRRT in Mülheim einmal mehr, dass er mit seiner Veranstaltung diesen Kontakt gestiftet hat. Sie sollten und werden mit Ihrem Umfeld sicher nicht nachlassen, das immer virulente Projekt interreligiöser Verständigung hochzuhalten.

Nichts anderes will unser Kölner Buch. Es geht seinen Weg. Fast die Hälfte der Auflage ist abgeschmolzen. D.h. aber auch, dass noch knapp 7000 Bücher ihre Leser*innen suchen. Angesichts der anschwellenden interreligiösen Spannungen, die von verantwortungslosen Wortführern künstlich geschürt werden, wird es täglich wichtiger, die Position von mindestens Toleranz und möglichst freundlichem Interesse zu behaupten. Es beunruhigt mich sehr, wie schnell teuer herbeigelittene Errungenschaften wieder in Gefahr geraten. Die Flüchtlingsfrage ist dabei nicht Auslöser, sondern willkommener Anlass, latente Borniertheit im öffentlichen Raum vorzutragen und sich dabei als Vollstrecker des Mehrheitswillens zu fühlen. Dem muss man deutlich entgegentreten, und unser Buch (das ja auch Ihres ist) kann da ein wichtiges Zeichen setzen. Das erlebe ich an den vielen Rückmeldungen, die mich erreichen.

Nachdem die erste Welle über Presse und Fernsehen gelaufen ist, wenden wir uns jetzt gezielt an Gruppen und Persönlichkeiten, die als Multiplikatoren infrage kommen. So könnten Transplantate entstehen, die zusammenwachsen und dem Anliegen des Buches eine Hebelwirkung verschaffen. Wenn Sie in dieser Richtung Ideen haben, her damit! Wir werden sie gern aufgreifen.
Ihren Rundbrief zur Karfreitagsfrage und der Schweif an Leserbriefen, den er ausgelöst hat, habe ich mit großem Interesse gelesen. Man erlebt, wie nahe sich Menschen guten Willens sind, obwohl sie ganz unterschiedliche Blickwinkel haben. – Ich habe auch einen.

In Nr. 4 klagt der Schreiber: „Der christliche Glaube verliert immer mehr an Bedeutung, leere Kirchen, Kirchenaustritte, Leben unter Missachtung der zehn Gebote, zunehmender Materialismus, Egoismus und Nihilismus.“ – Vielleicht bin ich anders verschaltet oder geprägt, aber solche Klagen lösen bei mir den gegenteiligen Reflex aus. Für mich sind sie Zeichen dafür, dass der christliche Glaube immer mehr an Bedeutung gewinnt. Waren christliche Positionen zum Krieg, zum Hass, zur Inhumanität, zur Zerstörung der Schöpfung nicht immer schon Störfall? Und waren nicht oft die eher kleinen Gruppen und Einzelnen die umgestaltende Kraft? – Die Mitgliedschaft in einer Kirche ist nachrangig. Oft waren dort die größten Hindernisse. Und mein Kirchenbegriff ist weit größer als die konfessionelle Organisation. Er umfasst für mich alle Menschen guten Willens. Und das sind Viele, vielleicht mehr denn je, auch wenn den anderen die Schlagzeilen gehören. – (In der beiliegenden Ballade habe ich einmal versucht, das zum Ausdruck zu bringen.)

Als Christ könnte ich relativ gut ertragen, wenn Nichtchristen die Ruhe und Würde meines Feiertags stören. Offenbar stört sie ja mein Feiertag, und so nehmen sie ihn unfreiwillig wichtig. Oder sie ignorieren ihn unwissend und ahnungslos. Dann geht es mich eigentlich nichts an.
Wenn ich aber als Staatsbürger spreche, als Mitglied einer offenen und humanen Gesellschaft, dann argumentiere und kämpfe ich gern für den Respekt gegenüber den Traditionen kleiner und großer Gruppen. Ich möchte nicht in einer Gesellschaft leben, wo dieser Respekt verdunstet. Ohne höfliche Umgangsformen würde das Zusammenleben zur Qual und letztlich in Gemeinheiten zerfallen. Höflichkeit ist ein wichtiges Ritual, das im überbevölkerten Gedränge die ständigen Verletzungen der persönlichen Hoheitszone abfedert. Es ist wie mit dem schwierigen Phänomen der Blasphemie. Als Christ betrifft es mich gar nicht, wenn irgendwer meint, mir heilige Dinge verspotten zu müssen. Ich will aber nicht in einer Gesellschaft leben, wo jeder jederzeit auf den Gefühlen seiner Nachbarn herumtrampelt. Das sage ich dann als Staatsbürger und nicht als Christ. Und es begegnen mir wenige, die dann für eine wölfische Gesellschaft plädieren.

Ich erinnere mich: Vor Jahren zeigte man bei der Kölner Stunksitzung ein Kruzifix mit der Aufschrift „Tünnes“. Es gab wilden Protest, und wir diskutierten auch in der Redaktion darüber. Uns wurde klar, dass die Verspottung des Gekreuzigten sehr genau dem Sinn der Kreuzigung entsprach. Auch Jesus wurde mit Dornenkrone und Purpurmantel verspottet. Aber ebenso klar wurde uns, dass hier eine soziale Grenze überschritten wurde. Würden wir zum Beispiel das Bild eines im Stacheldraht des KZs verendeten Häftlings oder das Bild unserer sterbenden Mutter dem bierseligen Gewieher einer Karnevalsgesellschaft preisgeben? Und wäre das eine Gesellschaft, in der wir leben möchten? Wir würden doch aufstehen und im heftigen Diskurs dagegenhalten, sogar mehrheitsfähig.
Lieber Herr Schmiedel, ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Osterfest

Ulrich Harbecke“

Und hier gibt es noch ein Gedicht von ihm, das er seinem Leserbrief anhängte:


Friedensgruß

Alltagsmesse, wie man‘s kennt,
am frühen Abend im Advent,
(Ich glaub, die dritte Kerze brennt.)
Wie sich‘s gehört in jedem Jahr,
steht schon die leere Krippe da.

Der Pfarrer hebt den Blick nur kaum,
schaut glasig in den Kirchenraum
sagt routiniert und blass und weich:
„Der Friede sei mit euch!“
Und dann, man möge sich mal eben
ein Zeichen dieses Friedens geben.

Vermutlich hat er nicht gesehn:
Der fromme Wunsch ist unbequem.
Man würd‘ ja gern und blickt umher,
doch ringsum ist fast niemand mehr.
Drei Bänke weiter und am Ende
schaut auch noch einer auf die Hände
und ebenfalls verwirrt und stumm
sucht ratlos um sich selbst herum.
Nun gut, man fasst sich halt ein Herz
und strebt hinüber, nächstenwärts,
gibt ihm die Hand, wie man’s halt tut,
und so geht es für diesmal gut.
Doch fragt man sich nicht ohne Sorgen:
Was wäre, wenn vielleicht schon morgen
man absolut der Letzte wäre?
Dann geht der Friedensgruß ins Leere.
Vergeblich irrst du dann umher,
rufst zaghaft: „Hallo, ist da wer?“
Suchst hinter Pfeilern, in den Ecken,
schaust dich auf der Empore um.
Auch da ist niemand zu entdecken.
Alles ist stumm.

Nur seltsam, hinterm Kirchentor
ist ein Geräusch. Da geht was vor.
Du staunst, drückst scheu die Klinke nieder
und sieh! Die Erde hat dich wieder!
Dort in der Straße strömen Leute
als Männer, Frauen, Kinder, Greise,
die einen lärmend, andre leise,
die ganze bunte Menschenmeute.
Sie schlendern, rennen, rufen, lachen.
Du siehst sie tausend Dinge machen.

Der Schein von bunten Weihnachtslichtern

malt sich auf Tüten und Gesichtern.
Dort zeigt sich Freude, Hoffnung, Leid
und manch versteckte Traurigkeit.
Sie geh‘n im Zeitspalt ihres Lebens
mit Träumen, Wünschen, oft vergebens,
von Schicksalsschlägen hart bedrängt,
von greller Werbung eingeengt,
verlockt, getrieben und zumeist
mit Surrogaten abgespeist,
von kalten Bänkern schlau betrogen
und von den Mächtigen belogen,
gejagt im Teufelstakt der Uhren,
im Tanz der Geister und Lemuren.
Und Weihnachtsmänner wie zum Hohne
erklettern Fenster und Balkone.
Im Rauschgold sieht man Engel baden
und „Stille Nacht“ aus jedem Laden
ist nirgendwo zu überhören,
denn nirgendwo darf Stille stören…

Gerade naht sich eine Frau,
ihr Antlitz müde, leer und grau.
Du fühlst ein heimliches Erbarmen
und möchtest sie ganz zart umarmen.
Du fragst dich: Was hat sie gesucht
und was hat sie vielleicht gefunden?
Ist da Enttäuschung, Not und Flucht,
und gibt es nie verheilte Wunden?
Verlor sie ihres Lebens Mitte?
Wer zählt die Taten, lenkt die Schritte?
Geht sie vielleicht getrost nach Haus,
erwarten sie dort schwere Sorgen,
und wie sieht ihre Zukunft aus?
Hat dieser Tag für sie ein Morgen?

Da schwillt dein Herz. Du gehst zu ihr
und gibst ganz einfach, unbekannt,
ihr freundlich lächelnd deine Hand
und sagst: „Der Friede sei mit dir!“

Ulrich Harbecke


(von Ulrich Harbecke aus Euskirchen)

Ulrich Harbecke ist der Autor des Kölner Buches der Religionen, das man für 10 € z.B. im Domforum in Köln erwerben kann: http://www.stadt-koeln.de/leben-in-koeln/soziales/diversity/das-koelner-buch-der-religionen.  

Ich nehme an, das war es nun an Leserbriefen zu diesem Thema. Ich finde es spannend zu lesen, aus wie vielen verschiedenen Perspektiven Sie geschrieben haben. Ich werde mir die Briefe nochmal zu Gemüte führen und dann dazu auch noch etwas schreiben. Das kann jetzt aber wieder etwas dauern.

Wenn Sie über Feiertage der Religionen informiert sein wollen, empfehle ich den Kalender von Religions for Peace. Ich habe auch noch ein paar 2018er vorrätig, die ich für 7 € abgeben kann. Das Hauptthema ist neben dem Kalendarium „Tierische Symbole in den Religionen“:
http://www.rfp-regensburg.de/kalender.html. Melden Sie sich bei Bedarf bei mir. 

Herzliche Grüße!
Ihr/Euer Michael A. Schmiedel

Interreligiöser Rundbrief für Bonn und Umgebung
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https://ifn-bonnregion.jimdo.com/
Und wer Lust auf meinen Irland-Reise-2017-Bericht hat:
http://www.rockmode.de/index.php?topic=6577.msg102451#msg102451 (ein Spaziergang in Doolin zum Hafen und der erste Abend in Doolin)
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